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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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erste, aber irgendwie stechender. Plötzlich fiel ihm ein, was es war.
    Blut. Schießpulver.
    Mit einem Ruck drehte er sich um und warf einen Blick auf den Rücksitz, wo der Geruch herzukommen schien. Im selben Moment fuhren sie an einer Laterne vorbei, die das Wageninnere erhellte.
    Sven erschrak und drehte sich sofort wieder um.
    »Susan! Da liegt ein Verletzter hinten im Auto!«
    »Ja. Das ist Sil.«
    Susan blickte unverwandt auf die Straße. Sie fuhr wie eine Besessene. Sven musste sich festhalten, um nicht in jeder Kurve hin- und hergeschleudert zu werden.
    »Sil? Dein Freund?«
    »Ja.«
    »Und was habe ich damit zu tun?«
    »Du musst ihm helfen. Wir fahren zu deiner Praxis.«
    »Susan«, sagte er und schaute sich erneut um, eine Hand auf dem Armaturenbrett, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. »Dieser Mann muss ins Krankenhaus, und zwar sofort.«
    Susan schüttelte den Kopf und blickte weiterhin verbissen geradeaus. Riss das Lenkrad herum und bog in eine enge Straße ein. »Geht nicht.«
    Svens Blick wanderte zwischen dem Mann auf der Rückbank und Susan hin und her. »Was ist denn … Wie ist denn das passiert?«
    »Eine Schusswunde. Glaube ich. Du musst ihn so schnell wie möglich operieren.«
    Sven war mit einem Schlag hellwach.
    »Schusswunde? Operieren? Kommt gar nicht infrage! Meine Güte, Susan, ich bin doch kein Chirurg! Ich behandle Hunde, keine Menschen!«
    Sie tat, als habe sie ihn nicht gehört.
    Mit einem Blick auf den blutenden Mann sagte Sven resolut: »Wir bringen ihn jetzt sofort in die Notaufnahme, sonst verblutet er uns.«
    Sie schaute ihn einen Augenblick lang fest an. »Nein, Sven. Das werden wir nicht tun. Wir können ihn nicht in ein Krankenhaus bringen. Glaub mir. Es geht einfach nicht. Du musst es tun. Es gibt niemanden sonst, an den ich mich wenden könnte. Tu es, bitte, ich helfe dir. Wenn wir nichts unternehmen, stirbt er so oder so.«
    Sven schaute sich noch einmal um. Jetzt wurde er erst richtig nervös.
    »Du magst doch komplizierte Fälle?«, sagte sie. »Herausforderungen, bei denen du deinen Grips benutzen musst? Das hast du selbst gesagt, weißt du noch? So, da hast du deine Herausforderung.«
    Ihm war klar, dass sie nicht nachgeben würde, und allmählich beruhigte er sich ein wenig.
    »Aber du musst mir auf jeden Fall erzählen, was passiert ist.«
    »Mache ich. Später.«
    Das Chassis des Corsa protestierte, als Susan auf dem Parkplatz vor der Tierklinik eine Vollbremsung machte. Es war stockdunkel. Der Eingang wurde nur von den Autoscheinwerfern erleuchtet. Geistesgegenwärtig schaltete sie sie aus. Es wäre äußerst unangenehm, wenn Passanten, die vielleicht gerade von einer Party nach Hause kamen, beobachten würden, wie sie und Sven einen leblosen Mann aus dem Wagen hievten.
    Schon war sie aus dem Auto gesprungen.
    »Komm, hilf mir, Sven.«
    »Ich schließe erst mal die Tür auf.«
    Er rannte los und zog im Laufen seinen Schlüsselbund aus der Hosentasche. Erst beim dritten Versuch erwischte er den richtigen Schlüssel. Die Tür ging auf. Im Dunkeln betrat er das Behandlungszimmer, rannte ohne Pause weiter in den dahinter liegenden Operationssaal und schaltete das Neonlicht ein. Anschließend eilte er wieder zurück nach draußen.
    Susan hatte bereits die hintere Tür geöffnet und Sil unter den Achseln gepackt. Sein Kopf hing ihm in den Nacken. Sven übernahm Susans Position am Oberkörper. Susan fasste Sil unter den Knien und zusammen brachten sie ihn, so schnell es ging, in den Operationssaal, wo sie ihn auf den Tisch wuchteten. Er passte nicht ganz darauf. Seine Unterschenkel ragten über den Rand hinaus.
    Sven warf Susan den Schlüsselbund zu. »Schließ die Tür ab. Und hol irgendetwas, worauf wir seine Füße legen können.«
    Er hörte, wie sie durch das Wartezimmer hastete, und betrachtete den Mann auf dem Operationstisch. Er versuchte, sich einzubilden, dass er ein großer Rottweiler war, der von einem Auto überfahren worden war. Er musste es tun, sonst hätte er ihn nicht behandeln können. Aber der Kerl sah nicht mal im Entferntesten wie ein Rottweiler aus. Er war übel zugerichtet, von oben bis unten voller Blut. Dem Tod näher als dem Leben.
    Denk nach, Sven, denk nach!
    Er atmete tief ein und sprach sich selbst Mut zu. Schließlich war der Mensch ein Säugetier, ebenso wie eine Katze oder ein Hund. Nur größer. Er vermied es, Susan anzuschauen, die einen Stuhl unter Sils Füße geschoben hatte und ihn nun von der anderen Seite des Operationstischs

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