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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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wiegen.
    Langsam wandte sie den Kopf Sven zu. »Sven?«, sagte sie mit piepsiger Stimme. »Der Beutel ist voll.«
    Er blickte verstört von seiner Arbeit auf. Ihm standen Schweißtropfen auf der Stirn.
    »Ich vernähe nur noch diese eine Ader«, hörte sie ihn sagen. »Bleib ruhig sitzen. Hol tief Luft. Ich kümmere mich um dich, sobald ich hier fertig bin.«
    Susan schaute auf die runde, weiße Uhr mit den römischen Ziffern, die vor ihr an der Wand hing. Sah zu, wie der Sekundenzeiger quälend langsam vorankroch. Beschloss, sich darauf zu konzentrieren. Sie wollte nicht umkippen. Nicht jetzt.
    Fünf Minuten später stand Sven neben ihr. Seine milchweißen Handschuhe waren blutverschmiert. Er zog den Mundschutz aus und blickte sie an, das Gesicht vor Anspannung verzerrt. Er hockte sich hin und zog ihr die Nadel aus dem Arm. Drückte fest mit dem Daumen die Ader ab.
    »Drück noch ein bisschen weiter drauf«, sagte er.
    Sie tat, was er gesagt hatte, und verfolgte jede seiner Bewegungen.
    Er nahm ihr den Beutel, in dem das Blut noch immer hin-und herschwappte, aus der Hand, löste ihn von dem Schlauch und hängte ihn an den Infusionsständer. Dann löste er den Schlauch von dem Beutel mit Kochsalzlösung und schloss ihn stattdessen an den Blutbehälter an. Sofort füllte sich der Schlauch mit Blut, das rasch in Richtung von Sils Arm floss.
    »Das wird ihm guttun«, sagte Sven und ging wieder in den angrenzenden Raum.
    Susan hörte den Wasserhahn. Schrubbgeräusche. Sie begriff, dass er sich erneut die Hände desinfizierte, weil er verschiedene nichtsterile Gegenstände angefasst hatte. Sie hatte Recht. Mit erhobenen Händen kehrte er zurück. Die Zaubershow konnte weitergehen. Sven war die Anspannung deutlich anzusehen. Er wies mit einem Nicken auf die Päckchen auf ihrem Schoß. Automatisch öffnete sie eines von ihnen. Er streifte sich die Handschuhe über und wandte sich dabei wieder Sil zu. Das dünne Gummi machte Schnappgeräusche. Er beugte sich über den Patienten.
    Susan war immer noch schwindelig. Sven erklärte ihr jeden Schritt seines Vorgehens. Jedenfalls glaubte sie, dass er mit ihr redete. Aber vielleicht führte er auch nur Selbstgespräche.
    »So, diese Ader hält dicht«, hörte sie ihn sagen, und kurz darauf: »Das Scheißding ist jetzt raus«, gefolgt von einem leisen, metallenen Ticken. Das musste das Geschoss gewesen sein.
    Sie drehte den Kopf in seine Richtung, aber ihr wurde übel davon. Über Sils Brust hinweg schaute Sven sie an.
    »Sieht gut aus, Susan«, sagte er. »Ist alles wieder dicht. Und er kriegt auch schon wieder ein bisschen Farbe.«
    Sie nickte nur.
    »Ich richte ihm auch noch die Nase«, sagte Sven. »Sonst wird er später mal Riesenprobleme damit haben.«
    Susan runzelte die Stirn.
    »Sie würde schief zusammenwachsen«, erklärte Sven und drehte sich zu dem Besteck auf dem Instrumententisch um.
    Irgendwie beruhigte sie seine Bemerkung, weil sie nur eines bedeuten konnte, nämlich dass er an einen guten Ausgang glaubte. Daran, dass Sil sich bald über solche Nichtigkeiten wie eine schief stehende Nase Gedanken machen würde.
    Sie sah zu, wie er energisch einen Tampon in Sils Nasenloch drehte. Das weiße Ding wirkte viel zu dick, um hineinzupassen. Sie schaute weg. Sie würde sich nie an so etwas gewöhnen können.
    Ihr Blick fiel auf Sils Hand, die über den Tischrand hing. Sein Ringfinger und sein Mittelfinger waren geschwollen und blau angelaufen.
    »Sven?«, sagte sie.
    Sven war dabei, mit Verband und Pflaster eine breite Kompresse zu formen. Er klebte sie über Sils Nase. Dann blickte er auf. Susan wies mit einem Nicken auf Sils Hand. »Die beiden Finger sehen gar nicht gut aus.«
    Sven ging um den Operationstisch herum, hob Sils Hand und griff nach den Fingern. Susan hörte ein widerliches Knacken, von dem ihr übel wurde. Sie kniff die Augen zusammen.
    »Gebrochen«, diagnostizierte Sven. »Ich werde sie schienen. Aber darin bin ich nicht so gut. Eventuell müssen die Knochen noch einmal gerichtet werden, wenn er das alles hier hinter sich hat. In einem richtigen Krankenhaus.«
    Während er sprach, drehte er an den Knöpfen des Inhalationsnarkoseapparates.
    »Wir müssen die Daumen drücken«, sagte er. »Dass er so in zehn Minuten wieder zu sich kommt. Sonst weiß ich auch nicht mehr weiter.«
    Susan schaute zu Boden, wo die diagonalen Fugen der großen Bodenfliesen ineinanderflossen. Sie schluckte. Halt noch ein bisschen durch!, mahnte sie sich in Gedanken.
    Es waren noch

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