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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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Stimme der Vernunft, und konnte sich lebhaft vorstellen, wie sie geweint haben musste, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte. Er sah wieder vor sich, wie ihn dieser aufgeblasene Paul triumphierend angrinste, seine Frau fest im Arm, eine Hand auf ihrem Hintern.
    Was bildete der sich ein?
    Er sah Bilder von Alice vor sich. Wie glücklich sie sich an diesem Abend gefühlt hatte, strahlend wie ein Kind im Spielzeugladen, umringt von allem, was er verabscheute: Leere, aufgeblasene, hohle Typen, einer arroganter als der andere, eine Scheinwelt. Ihre Welt.
    Sie war so naiv. So verletzlich. So unschuldig wie ein neugeborenes Rehkitz unter einem Rudel Wölfe. Und er war einer von ihnen. Vielleicht der Schlimmste von allen.
    Was tue ich da bloß?

8
     
    Mithilfe der Jugo-Methode verschaffte er sich Einlass. Man bohrte mit einem Handbohrer Löcher in einen Fensterrahmen, genau unter dem Griff. Anschließend führte man einen selbst hergestellten Metallhaken ein, der genau durch die Bohrlöcher passte. Man legte die Griffe um, et voilà. Schon konnte man ungehindert einsteigen.
    Die Methode war so alt und so beliebt, dass er sich wunderte, warum der Laden nicht besser gesichert war. Die hielten sich wohl für unantastbar. Und in gewissem Sinne waren sie das ja auch. Die Polizeibehörden waren machtlos. Tatenlos mussten sie mit ansehen, wie die Kriminalitätsrate stetig anstieg. Sie wussten einfach nicht, wo sie anfangen sollten zu suchen. Und wenn sie es wussten, waren ihnen die Hände gebunden aufgrund der strikten Vorschriften, die ihnen ihr eigener Staat auferlegte.
    Er war an gar nichts gebunden.
    Es war ein altes Gebäude, eine Art heruntergekommenes Herrenhaus. Er hatte Hase vor einer halben Stunde zurückkehren sehen. Johnnys Camaro war zwei Straßen weiter geparkt, vor dem Bordell, das heute Ruhetag hatte. Der spillerige Johnny mit der fettigen Kickertolle war vor etwa einer Stunde zusammen mit einem Kerl ohne Hals hineingegangen. Der ältere Mann mit dem Bluthundgesicht war gleichzeitig mit ihnen angekommen, hatte jedoch vor ein paar Minuten das Haus wieder verlassen.
    Drei Männer. Glaubte er jedenfalls. Er konnte unmöglich genau wissen, was ihn da drinnen erwartete. Vielleicht gab es gar nichts zu holen und er hatte einen Fehler gemacht. Manchmal war ein Schuss ins Blaue aber auch besonders lohnend. Es hieß, alles auf Rot oder Schwarz setzen und abwarten, wo die Kugel landete. Wie immer hatte er sich sämtliche Informationen, die ihm irgendwie bedeutsam erschienen, gründlich eingeprägt.
    Er vertraute auf seine Heckler & Koch, seine Erfahrung, seine Schnelligkeit und seinen Instinkt, jene tödliche Kombination, die ihn schon mehrfach aus brenzligen Situationen gerettet hatte.
    Er wartete eine Weile, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann verstaute er den Bohrer und den Haken in seinem Rucksack und konzentrierte sich auf seine Atmung. Es war wichtig, so lautlos wie möglich vorzugehen. Er hielt die HK im Anschlag. Und lauschte.
    Sie waren oben.
    Er betrat den Flur. Es brannte kein Licht, genau wie in dem leeren Zimmer, in das er eingedrungen war, aber inzwischen konnte er in der Dunkelheit genug erkennen. Der Flur war ungefähr sieben Meter lang. Rechts und links davon befanden sich mehrere Türen. Auf dem Boden lag altes, geborstenes Linoleum mit einem Fischgrätmuster und umgebogenen Rändern. Die Wände waren bis in gut einem Meter Höhe mit einer ebenso ramponierten Holzverkleidung versehen. Darüber schnörkelten sich glänzende Stuckverzierungen. Tagsüber wiesen sie wahrscheinlich eine Art vergilbtes Mintgrün auf, eine Farbe, wie man sie öfter in solchen alten Häusern vorfand. Jetzt war jedoch alles schwarz und grau. Am Ende des Flures befand sich ein Treppenaufgang, im ersten Stock brannte Licht. Er kam an mehreren geschlossenen Türen vorbei. Routinemäßig blieb er an jeder stehen und horchte. Hörte nichts als seinen eigenen Herzschlag.
    Vorsichtig stieg er die Treppe hinauf, nahm jeweils vier Stufen gleichzeitig und trat mit seinen Sportschuhen so dicht wie möglich am Rand auf. Dort knarrte das alte Holz weniger als in der Mitte. Er ließ sich absichtlich Zeit. Holz arbeitete. Wie oft hörte man nachts im Bett, wie es darin knackte. Und nichts anderes sollten Hase, Johnny und der Halslose hören: das beruhigende Knacken von arbeitendem Holz und keine hastigen Schritte von einem Angreifer mit schwarzer Sturmhaube, der eine tödliche Waffe mit Schalldämpfer am ausgestreckten

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