Verraten
denn eigentlich bei dir, seit du deine Firma verkauft hast? Ich vermisse dich als Mandanten. Die meisten haben keine Ahnung, wie man eine Firma aufzieht. Sagittarius dagegen war ein Musterunternehmen.«
»Das kam in deinen Erklärungen aber nie zum Ausdruck«, entgegnete Sil kurz angebunden.
Der Steuerberater lächelte. »Nur weil du keine Ahnung hast, wie viel die anderen zahlen müssen. Wer erledigt deine Buchhaltung denn jetzt für dich?«
Der Mann ging Sil maßlos auf die Nerven. Van Doorn lebte in einer Welt, die nicht mehr die seine war. Er hatte keine Lust, über die Vergangenheit zu plaudern.
»Ich kümmere mich selbst darum«, antwortete er. »Kurz-und langfristige Projekte, zwanzig Rechnungen pro Jahr. Keine Angestellten. Deine Leute hätten nicht mal einen Vormittag mit meinem Einmannbetrieb zu tun.«
Der Steuerberater nickte. Schaute von Alice zu Sil. Begriff, dass ein weiteres Gespräch mit ihnen fruchtlos sein würde und er seine Zeit sinnvoller nutzen konnte. Er machte Alice nochmals ein Kompliment zu ihrem Aussehen, schüttelte den beiden die Hand und blies zum Rückzug.
Er erlebte den Abend wie in einem Kokon, in dem für nichts anderes Raum war als für kochende Wut und grenzenlose Frustration. Es entging ihm nicht, dass dutzende Männer seine Frau auf eine Weise ansahen, die ihm ganz und gar nicht gefiel. Sie war schön. Und unvorstellbar naiv. Sie gehörte nicht hierher. Es war ein schrecklicher Abend mit schrecklichen Menschen. Hohlheit, wohin man auch sah. In ihm tobte ein vernichtender Sturm, aber er hatte es geschafft, äußerlich kühl zu bleiben. Alice zuliebe. Wenn er allein gewesen wäre, wäre der Abend anders verlaufen. Ganz anders.
Alice hatte von seinem Zustand kaum etwas mitbekommen und sich nach der Szene mit Paul rasch wieder erholt. Sie hatte ein Glas Wein nach dem anderen getrunken, mit jedem geplaudert und es sogar noch gewagt, Paul zuzulächeln, der glücklicherweise vernünftig genug war, sich den Rest des Abends von ihnen fernzuhalten. Er hätte ihm ohne zu zögern das Genick gebrochen, wenn er ihn noch einmal gereizt hätte.
Gegen ein Uhr manövrierte er eine angetrunkene Alice nach draußen. Sie schwankte ein wenig und kicherte. Wenn sie sich nicht an ihm festgehalten hätte, wäre sie die Treppe hinuntergefallen. Er war angespannt wie eine Feder.
Auf dem Rückweg nach Hause redete sie ohne Punkt und Komma. Alle waren ja so nett gewesen. So ein schöner Abend. Hast du den und den gesehen? Warum sagst du denn gar nichts?
Nach einer Viertelstunde lenkte er den Landcruiser auf einen Picknickplatz. Es war stockdunkel. Er hielt an und schaltete den Motor aus. Sie schaute ihn stirnrunzelnd an. Konnte kaum sein Gesicht erkennen.
Bevor sie ihn fragen konnte, was das sollte, beugte er sich über sie und zog am Griff ihres Sitzes, der mit einem Ruck nach hinten klappte. Aufgrund des Alkohols reagierte sie zu spät, und es war, als fiele sie. In einem Reflex suchte sie Halt, doch Sil packte sie an den Handgelenken und riss ihre Arme hoch über den Kopf. Mit einer Hand hielt er sie in dieser Position und drängte gleichzeitig sein Knie unnötig grob zwischen ihre Beine. Sie stieß einen unterdrückten, empörten Schrei aus, und vielleicht sagte sie noch etwas, aber er bekam es kaum mit. Mit der freien Hand riss er ihr das Kleid herunter. Sie fühlte, wie der Stoff zerriss, und versuchte sich zu befreien.
»Sil …!?«, schrie sie.
Plötzlich erlahmte sein Griff, und er fuhr zurück.
Wie von einer Biene gestochen riss sie die Beifahrertür auf und sprang aus dem Auto. Ihre hochhackigen Pumps sanken tief in der regennassen Erde ein. Sie fühlte das eiskalte Wasser in ihre Schuhe laufen. Stützte sich mit den Händen auf den Knien ab. Ihr Magen zog sich in schmerzhaften Krämpfen zusammen, und sie erbrach das halb verdaute Essen und den Wein. Sie zitterte. Ihre Beine versagten ihr den Dienst, und sie ließ sich zu Boden sinken.
Ihre Augen suchten den Landcruiser. Eine bedrohliche, schwarze Masse. Im Auto sah sie den Schatten des Mannes, von dem sie die letzten siebzehn Jahre geglaubt hatte, er sei das Beste, was ihr im Leben hatte passieren können. Reglos saß er am Steuer. Mit einer Hand betastete sie die ausgefransten, nassen Enden ihres Kleides, und erst als sie sich der Situation voll und ganz bewusst wurde, fing sie an zu schreien.
»Scheißkerl!« Anschließend musste sie husten, und das Husten ging in Schluchzen über.
Sie hörte die Autotür nicht aufgehen. Bekam
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