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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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nicht gerade. Er wusste nicht, ob er sie würde ausblenden können, wenn es darauf ankam. Ob das Adrenalin stärker wäre als der Schmerz. Er hielt sich vor Augen, dass er sich insgesamt gesehen in einer ziemlich hoffnungslosen Lage befand. Aber wenn er hier gottergeben wartete, bis der Boss eintraf, war er ohnehin so gut wie tot. Nur wenn er selbst die Initiative ergriff, hatte er eine Chance.
    Er wuchtete sich wieder hoch. Unterdrückte, so gut es ging, die Übelkeit und die bohrenden Kopfschmerzen. Ging zur Tür und schaute sich das Loch genauer an.
    Es maß höchstens zwei Zentimeter im Durchmesser. In dem Loch befand sich eine quadratische Metallöffnung von ungefähr einem mal einen Zentimeter. Die Öffnung für den Vierkantsplint der Türklinke. Er formte mit den Händen einen Tunnel, um das grelle Badezimmerlicht auszublenden, und schaute durch die Öffnung hindurch. Im Flur brannte Licht, und er konnte ein Stück Holzverkleidung erkennen. An der Außenseite der Tür befand sich also auch keine Klinke.
    Er schaute sich um und verbiss sich den pochenden Kopfschmerz, den die Bewegung auslöste. Wenn er irgendeinen stabilen, kantigen Gegenstand finden könnte, wäre es vielleicht möglich, ihn in die viereckige Öffnung hineinzustecken und damit die Tür zu öffnen. Er ließ den Blick durch den ganzen Raum wandern. Keine Brause in der Dusche. Kein Waschbecken. Die Mischbatterie in der Badewanne abgeschraubt. Aber es gab eine Toilette. Eine altmodische, deren Wasserreservoir knapp unter der Decke hing. Weder Seil noch Kette daran. Keine Klobrille, also auch keine Flügelmuttern, die er als Schlüssel hätte verwenden können. Alles gut durchdacht, stellte er grimmig fest. Dennoch gab es eine geringe Chance, dass sie irgendetwas übersehen hatten.
    Er stellte sich auf die Toilettenschüssel, die unter seinem Gewicht leicht kippte und ein schabendes Geräusch auf dem Boden verursachte. Das Reservoir hing zu hoch. Er konnte unmöglich hineinschauen, also tastete er mit einer Hand darin herum. Es war zum Teil mit Wasser gefüllt. Die Ränder waren glitschig und mit einer dicken Schicht Schleim, Algen oder anderem Dreck bedeckt. Plötzlich spürte er einen runden Steinschwimmer, und Hoffnung keimte in ihm auf. Er tastete an dem Schwimmer entlang, und dann fand er, wonach er gesucht hatte: eine kleine Metallstange, die mit dem Schwimmer verbunden war. Sie war an der rechten Seite des Keramikreservoirs festgeschraubt. Er blickte hoch und sah eine große Metallschraube. Drehte versuchsweise daran, aber seine Finger waren zu glitschig und rutschten ab. Die Schraube war sicherlich seit vielen Jahren nicht gelöst worden und längst festgerostet. Aber er musste an diese Metallstange herankommen. Sie war seine einzige Chance. Er stieg von der Toilettenschüssel herunter, legte die Jacke und das Holster ab, zog den Pullover aus. Wischte sich die Hand ab und zog den Pullover wie einen Handschuh darüber. Stieg wieder auf die Schüssel, die erneut ein wenig kippte und über den Boden schabte. Er kniff die Augen zusammen und drehte mit aller Kraft. Jetzt gab die Schraube nach. Er steckte sie in die Tasche, damit sie nicht zu Boden fallen konnte. Fasste wieder mit der Hand in das Reservoir und zog die Stange heraus. Er stieg von der Toilettenschüssel und holte tief Luft. Er hatte sein Werkzeug.
    Der Raum war nicht geheizt, und ihm wurde kalt. Unwillkürlich fing er an zu zittern. Er legte die Stange hin und zog seine Kleidung und sein Holster wieder über. Hätte sich fast übergeben. Kniff die Augen zusammen, weil sich der Raum um ihn drehte wie ein Karussell. Minutenlang blieb er so stehen. Bis er sich sagte, dass er nicht alle Zeit der Welt hatte und weitermachen musste.
    Er ging zur Tür und steckte die Stange vorsichtig in die quadratische Öffnung. Versuchte, die Stange ein Stück zu drehen, aber es gelang ihm noch nicht so richtig. Er zog sich den Pulloverärmel über die Hand, um einen besseren Griff zu haben. Hörte ein Klicken. Die Tür war offen. Behutsam drückte er die Tür ein paar Zentimeter weiter auf, aufmerksam auf jedes Geräusch und jede Bewegung achtend. Schaute hinaus in den Flur, nach links, nach rechts. Kein Wachtposten.
    Mit neuem Mut trat er hinaus auf den Gang. Ermahnte sich, einen kühlen Kopf zu behalten. Zuerst musste er sich eine Waffe besorgen, egal, was für eine. Er pirschte sich äußerst behutsam voran. Blieb an jeder Tür stehen. Wartete. Ging weiter zur nächsten Tür. Schaute sich um,

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