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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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entdeckte eine dreckige Toilette ohne Brille. In einer Ecke eine Dusche. Eine Badewanne. Er befand sich in einem Badezimmer.
    Er suchte nach Fenstern, sah aber keines. Die Innenseite der Tür hatte keine Klinke, stattdessen nur noch ein rundes Loch. Der ganze Raum war nackt und kahl. Alles, was als Werkzeug oder Waffe hätte dienen können, war abmontiert oder herausgebrochen worden. Keine Wasserhähne. Keine Duschstange. Nichts. Ihm wurde klar, dass dieses Badezimmer mittlerweile einem ganz anderen Zweck diente.
    Es war eine Zelle.
    Die Verbindung zum Club 44 lag auf der Hand. Zweifellos waren vor ihm schon viele dutzende zu Tode verängstigter Frauen hier eingesperrt gewesen und hatten einen ungleichen, von vornherein aussichtslosen Kampf gekämpft.
    »Willkommen in der Hölle«, murmelte er leise.
    Vorsichtig versuchte er sich aufzusetzen. Die Bewegung verursachte einen gemeinen, stechenden Schmerz im Rücken. Er tastete suchend unter seinem Pullover herum, spürte aber nirgends Blut. Rippenprellungen, keine Brüche. Seine gut entwickelte Rückenmuskulatur hatte den Schlag teilweise abgefangen. Wozu regelmäßiges, hartes Training doch nützlich sein konnte.
    Er hielt sich am Badewannenrand fest und hievte sich hoch. Verzog dabei das Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse. Sein Schädel dröhnte, und um ihn drehte sich alles, als schunkele in seinem Kopf ein komplettes, aus dem Takt geratenes Blasorchester. Er drehte den Kopf von rechts nach links. Das klappte recht gut, abgesehen von den Lichtblitzen und den Schmerzen. Noch eine positive Feststellung. Alle Gelenke arbeiteten. Nichts gebrochen. Er lehnte sich einen Augenblick gegen die kalten Wandfliesen. Ihm war übel und schwindelig. Er musste eine schwere Gehirnerschütterung haben. Zugleich wurde ihm klar, dass er bis zum Hals in der Patsche saß. Er zwang sein gepeinigtes Hirn zum Nachdenken.
    Er lebte noch, man hatte nicht auf ihn geschossen, und das war garantiert kein Zufall. Es konnte nur eines bedeuten: Der halslose Typ war keiner von den Oberbossen, wofür er ihn zunächst gehalten hatte. Dass er sich geirrt hatte, bewies schon allein die Tatsache, dass er hier drin saß. Sie hatten ihn eingesperrt, weil sie nicht wussten, was sie mit ihm anfangen sollten. Sie hatten keine Entscheidungsbefugnis, sie waren Handlanger.
    Er hatte gespielt und verloren. Sein Besuch war verfrüht gewesen. Außerdem hätte er jedes Zimmer kontrollieren müssen und nicht einfach davon ausgehen dürfen, dass sie alle leer waren. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für Manöverkritik. Die Analyse hob er sich für später auf, und solange er lebte, war es noch nicht vorbei.
    Die Fliesen tanzten vor seinen Augen, und er schwankte. Er rutschte an der Wand entlang zu Boden, wogegen sein Rücken heftig protestierte. Dankbar stellte er fest, dass die Übelkeit nachließ. Er versuchte, sich einen Überblick über seine Lage zu verschaffen.
    Er hatte Johnny erwischt, und der würde nie wieder aufstehen. So viel war sicher. Blieben noch Hase, der Halslose, der Pockennarbige und der unbekannte Nike-Träger mit den großen Füßen. Vier Gegner, unversehrt und garantiert bewaffnet. Und keiner von ihnen entscheidungsbefugt. Das bedeutete, dass einer von ihnen auf dem Weg zum Chef war, während er hier in seiner Zelle festsaß. Und der Chef war zweifellos gefährlicher als seine vier Bewacher zusammen.
    Es gab nur eine Möglichkeit: Er musste flüchten. Er schaute sich die Tür an. Eine einfache Holztür. Nichts Besonderes. Mit entsprechendem Krafteinsatz konnte man sie aus den Scharnieren hebeln. Wenn es nicht anders ging, einschlagen. Und dann die Beine in die Hand nehmen. Vielleicht konnten schiere Muskelkraft und Schnelligkeit seine Rettung bedeuten. Doch er verwarf den Gedanken ebenso schnell, wie er in ihm aufgestiegen war. Flüchten kam nicht infrage. Die vier Männer hatten sein Gesicht gesehen. Infolge seiner Schlamperei von heute Nacht würde er eines Tages die Rechnung präsentiert bekommen, in Form eines 9-Millimeter-Parabellum-Geschosses aus einer Zastava zwischen die Augen. Daher konnte er nicht einfach weglaufen und die Sache vergessen. Sie würden niemals vergessen.
    Ihm blieb im Grunde nur eines übrig: Sie mussten tot sein, alle vier, bevor er hier wegkonnte. Bliebe auch nur einer am Leben, war ein Genickschuss noch das Beste, worauf er eines Tages hoffen konnte. Keine angenehmen Aussichten.
    Die stechenden Schmerzen in Kopf und Rücken verbesserten seine Situation

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