Verr�ter wie wir
Glück:
»Hören Sie! Sie kennen Jack London? Nummer-Eins-Schriftsteller von England?«
»Nicht persönlich.« Ein Scherz, auf den Dima nicht einstieg.
»Und? Mögen Sie?«
»Er ist großartig.«
»Charlotte Brontë? Sie mögen auch?«
»Sehr sogar.«
»Somerset Maugham?«
»Nicht sonderlich, muss ich zugeben.«
»Ich hab Bücher von alle diese Leute! Hunderte! Alles Russisch! Riesenschränke voll Bücher!«
»Sehr gut.«
»Sie lesen Dostojewski? Lermontow? Tolstoi?«
»Natürlich.«
»Habich alle. Alle die Nummer-Eins-Leute. Ich hab Pasternak. Wissen Sie was? Pasternak hat von meine Stadt daheim geschrieben. Jurjatino, so heißt sie bei ihm. Das ist Perm. Dieser Spinner sagt Jurjatino. Keine Ahnung, warum. Schriftsteller machen so was. Alles Spinner. Sie sehen meine Tochter da oben? Das ist Natascha, interessiert sich ein Dreck für Tennis, liebt nur immer Bücher. He, Natascha. Sag dem Professor hier guten Tag!«
Verzögert, damit auch ja klarwird, dass sie sich gestört fühlt, hebt Natascha den Kopf und streicht zerstreut das Haar zur Seite, gerade lange genug, um Perry mit ihrer Schönheit zu blenden, bevor sie sich wieder in ihren ledergebundenen Wälzer versenkt.
»Ist ihr peinlich«, erklärt Dima. »Mag nicht, wenn ich so laut zu ihr rufe. Sehen Sie das Buch, das sie hat? Turgenjew. Nummer-Eins-Schriftsteller von Russland. Hab ich ihr gekauft. Sie will ein Buch, ich kauf es. Okay, Professor. Ihr Aufschlag.«
»Von diesem Moment an war ich der Professor. Ich hab ihm immer wieder gesagt, dass ich keiner bin, aber er wollte nicht hören, also hab ich irgendwann aufgegeben. Nach ein paar Tagen hat das halbe Hotel mich Professor genannt. Was einem schon reichlich merkwürdig vorkommt, wenn man gerade beschlossen hat, dass man nicht mal mehr Dozent ist.«
Als sie die Seiten wechseln, tröstet es Perry zu sehen, dass Gail den zudringlichen Mark abgeschüttelt hat und jetzt auf der obersten Bank zwischen zwei kleinen Mädchen sitzt.
* * *
Das Spiel hatte zu einem ganz brauchbaren Rhythmus gefunden, sagte Perry. Nicht das größte Match aller Zeiten, aber – solange er halbwegs leisetrat – spannend und unterhaltsamanzusehen, immer vorausgesetzt, jemand wollte unterhalten werden, was fraglich schien, denn bis auf die Zwillinge hätte die Gesellschaft ebenso gut zu einer Séance versammelt sein können. Mit Leisetreten meinte er, das Tempo ein wenig drosseln und hier und da einen Ball annehmen, der auf dem Weg ins Aus war, oder ihn zurückschlagen, ohne allzu genau darauf zu schauen, wo er gelandet war. Denn das Gefälle zwischen ihnen – vom Alter, vom Können und von der Beweglichkeit her – trat doch immer deutlicher zutage, und Perry wollte einfach nur zum Ende kommen, Dima seine Würde lassen und sich mit Gail ein verspätetes Frühstück auf dem Captain’s Deck gönnen. So zumindest hatte er sich das gedacht, bis beim nächsten Seitenwechsel Dima ihn beim Arm packte und mit wütendem Knurren auf ihn losfuhr:
»Verdammt, was ist das hier? Schwuchteltennis?«
»Wie bitte?«
»Der lange Ball da war Aus. Sie sehen ihn draußen, Sie spielen ihn rein. Sie denken, ich bin so ein fetter alter Schlappschwanz, der gleich tot umfällt, wenn Sie nicht Samtpfoten nehmen.«
»Es war ein Grenzfall.«
»Ich spiel nicht klein-klein, Professor. Ich will was, ich hol’s mir verdammt noch mal. Ich brauch kein Schwuchteltennis. Sollen wir um ein Tausender spielen? Bisschen Zug reinbringen?«
»Nein danke.«
»Fünftausend?«
Perry lachte und schüttelte den Kopf.
»Sie sind Schisser, ja? Ein Schisser, deshalb Sie wetten nicht.«
»Das muss es sein«, stimmte Perry zu, dem der linke Oberarm noch von Dimas Griff schmerzte.
* * *
»VorteilGroßbritannien!«
Der Ruf schallt über den Platz und erstirbt. Die Zwillinge brechen in nervöses Kichern aus und warten auf das Donnerwetter. Bisher hat Dima ihre gelegentlichen Anfälle von Übermut geduldet. Jetzt nicht mehr. Er legt seinen Schläger auf der Bank ab, humpelt die Stufen der Tribüne hinauf, bis er vor den Jungen steht, und setzt ihnen beiden den Zeigefinger auf die Nasenspitze.
»Wollt ihr, ich nehm mein Gürtel und prügel euch grün und blau?«, fragt er auf Englisch – damit Perry und Gail auch etwas davon haben vermutlich, denn warum sonst redet er nicht russisch mit ihnen?
Worauf einer der Jungen in deutlich besserem Englisch antwortet: »Du hast doch gar keinen Gürtel an, Papa.«
Das war’s. Dima gibt dem näheren Sohn eine so
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