Verr�ter wie wir
Wälzer, den sie wie einen Keuschheitsgürtel über ihren Schoß gebreitet hält!
»Aber wirklich umwerfend hübsch«, betonte Gail. Und um ganz sicherzugehen: »Nicht nur gutaussehend, richtig schön .« Und dann dachte sie: Ach du Schreck, jetzt klinge ich schon wie eine Lesbe, dabei will ich doch nur unbekümmert klingen.
Doch auch diesmal schienen weder Perry noch ihre Inquisitoren einen falschen Ton zu bemerken.
»Und wo finde ich Tamara, die nicht Nataschas Mutter ist?«, fragte sie Mark streng und nutzte die Gelegenheit, um ein Stück von ihm wegzurücken.
»Zwei Reihen hinter Ihnen, links. Sehr fromme Dame. Heißt bei den Einheimischen nur die Nonne.«
Ein beiläufiger Blick über die Schulter zeigte ihr eine gespenstische Gestalt, die von Kopf bis Fuß in Schwarz gehüllt war. Auch das Haar war schwarz, wenngleich mit weißen Fäden durchzogen, und in einen Knoten gerafft. Ihr Mund, ein schmaler Abwärtsbogen, schien noch nie gelächelt zu haben. Sie hatte einen violetten Chiffonschal um.
»Und auf der Brust so ein orthodoxes Goldkreuz mit doppeltem Querbalken, Bischof war das mindeste«, rief Gail. »Daher wohl auch die Nonne.« Und, nachgeschoben: »Aber eine Ausstrahlung hatte die Frau, unglaublich! Eine enorme Bühnenpräsenz« – ihre Schauspielereltern ließen grüßen –, »die Willenskraft war förmlich mit Händen greifbar. Sogar Perry hat sie gespürt.«
»Nicht jetzt«, warnte Perry, ohne Gail anzusehen. »Wir sollen keine späteren Erkenntnisse ins Spiel bringen.«
Andere habe ich ja leider nicht, dank dir , hätte sie ihm am liebsten hingerieben, aber in ihrer Erleichterung, die HürdeNatascha so glatt genommen zu haben, verzichtete sie darauf.
Irgendetwas an dem geschniegelten kleinen Luke irritierte sie: die Art, wie ihre Augen unversehens immer wieder den seinen begegneten und umgekehrt. Anfänglich hatte sie sich gefragt, ob er vielleicht schwul war – bis sie ihn auf ihre Bluse schielen sah, bei der ein Knopf aufgegangen war. Er hatte diesen Heldenmut des Verlierers, das war es. Diese Entschlossenheit, bis zum letzten Mann zu kämpfen, und der letzte Mann war er. In den Jahren, die sie auf Perry gewartet hatte, war Gail mit so einigen Männern ins Bett gegangen, und einen oder zwei davon hatte sie aus reiner Gutmütigkeit erhört, einfach um ihnen zu zeigen, dass sie besser waren, als sie glaubten. Daran musste sie denken, als sie nun Luke gegenübersaß.
* * *
Perry dagegen hatte, wie er seinen großen, flach vor ihm auf dem Tisch ausgespreizten Händen angelegentlich mitteilte, die Zuschauer vor dem Spiel mit Dima kaum beachtet. Er wusste, da saßen Leute, er hatte mit dem Schläger in ihre Richtung gewinkt und keine Reaktion erhalten. Aber in erster Linie war er damit beschäftigt, seine Kontaktlinsen einzusetzen, die Schnürsenkel nachzuziehen, Sonnencreme aufzutragen, sich zu sorgen, ob Mark Gail auf die Pelle rückte, und ansonsten zu überlegen, wie schnell er wohl gewinnen und hier abhauen konnte. Er wurde außerdem von seinem Gegner verhört, der keinen Meter von ihm entfernt stand.
»Stört Sie?«, fragte Dima in feierlich gedämpftem Ton. »Mein Fanclub? Ist besser, ich soll sie heimschicken?«
»Natürlich nicht«, antwortete Perry, der noch nicht recht über die Geschichte mit den Leibwächtern hinweg war. »Da ich annehme, dass es Ihre Freunde sind.«
»Siesind britisch, ja?«
»Korrekt.«
»Englisch-britisch? Von Wales? Schottland?«
»Einfach nur englisch.«
Perry suchte sich eine Bank, knallte seine Sporttasche darauf und öffnete den Reißverschluss. Er kramte zwei Schweißbänder heraus, eins für die Stirn, eins fürs Handgelenk.
»Sind Sie Priester, vielleicht?«, forschte Dima in unverändert feierlichem Ton nach.
»Wieso? Brauchen Sie einen?«
»Doktor? Von Medizin?«
»Nein, auch kein Doktor, tut mir leid.«
»Anwalt?«
»Ich spiele einfach nur Tennis.«
»Banker?«
»Da sei Gott vor«, sagte Perry gereizt und fingerte an einem ramponierten Sonnenhut herum, nur um ihn dann zurück in die Tasche zu stopfen.
Doch in Wahrheit war er mehr als gereizt. Er fühlte sich für dumm verkauft, und er ließ sich nicht gern für dumm verkaufen. Für dumm verkauft von dem Pro und für dumm verkauft von den Leibwächtern, auch wenn er dem einen Riegel vorgeschoben hatte. Trotzdem, dass sie mit auf dem Platz waren – wie Linienrichter je an einem Ende aufgebaut –, genügte vollauf, um seinen Zorn am Schwelen zu halten. Vor allem aber fühlte er sich
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