Verr�ter wie wir
gingen ihm weiter im Kopf herum, während Hector die große Mahagonitür zuzog, den Schlüssel drehte, ihn sich in die Tasche steckte, die Schnallen einer alten braunen Aktentasche öffnete und Luke einen verschlossenen Dienstumschlag ohne Briefmarke hinschob, bevor er zu dem deckenhohen Schiebefenster hinüberschlenderte, das auf den St. James’s Park hinausblickte.
»Dachte, das passt ein bisschen besser zu Ihnen, als in der Verwaltung rumzudümpeln«, bemerkte er leichthin, sein kantiger Körper eine Silhouette vor den angegrauten Tüllgardinen.
Der Brief in dem Dienstumschlag war eine ausgedruckte E-Mail von ebenjener Personalchefin, die gerade zwei Monate zuvor den Stab über Luke gebrochen hatte. In leidenschaftslosem Beamtenton beförderte ihn dieses Schreiben ab sofort und ohne Erklärung zum Koordinator einer im Aufbau befindlichen Einheit, die sich Sonderdienststelle Refinanzierung nannte und dem Direktor der Abteilung Sonderprojekte unterstellt war. Ihre Aufgabe, so stand da, war die »proaktive Rückgewinnung operativer Kosten aus Kundenbereichen, welche in besonderem Maße von den Aktivitäten unseres Hauses profitiert haben«. Mit der Ernennung ging eine achtzehnmonatige Vertragsverlängerung einher, die ihm auf seine Altersversorgung angerechnet werden sollte. Etwaige Fragen zu richten an obige E-Mail-Anschrift.
»Na, kommen Sie klar damit?«, erkundigte sich Hector von seinem Platz vor dem hohen Fenster.
Perplex murmelte Luke etwas darüber, dass es ihm beim Abzahlen der Hypothek helfen würde.
»Gefällt Ihnen proaktiv ? Zieht das bei Ihnen?«
»Geht so«, sagte Luke mit einem verwirrten Auflachen.
»Die Pique Dame steht auf proaktiv «, erklärte Hector. »Machtsie rattenscharf. Bauen Sie noch irgendwo das Wort Refinanzierung ein, und sie geht ab wie eine Rakete.«
Sollte Luke den Mann einfach weiterfaseln lassen? Was zum Henker hatte er vor, dass er ihn um elf Uhr morgens in seinen grässlichen Club zitierte, ihm einen Brief überreichte, der nicht mal von ihm war, und dabei am Vokabular der Pique Dame herumkrittelte?
»Soll ja nicht so gut gelaufen sein in Bogotá«, sagte Hector.
»Na ja, es ging recht auf und ab«, erwiderte Luke ausweichend.
»Beim Bumsen mit der Frau Ihres Stellvertreters, meinen Sie? Diese Art Auf und Ab?«
Luke starrte auf den Brief in seiner Hand hinab. Das Blatt zitterte leicht, aber er beherrschte sich und sagte nichts.
»Oder eher die Sorte, die man durchmacht, wenn irgend so ein windiger Drogenbaron, den man für seinen Zuträger gehalten hat, einen mit vorgehaltenem Maschinengewehr abführt?«, fuhr Hector fort. » Diese Art Auf und Ab?«
»Wahrscheinlich beide«, entgegnete Luke steif.
»Darf ich fragen, was zuerst kam? Die Entführung oder die Vögelei?«
»Dummerweise Letzteres.«
» Dummerweise deshalb, weil Ihr Drogenbaron Sie in seinem Dschungelverlies schmachten ließ, und derweil kriegte Ihre arme kleine Frau in Bogotá spitz, dass Sie mit dem Nachbarsmädel ins Bett gehüpft waren?«
»Ja. Das ist richtig. So war’s.«
»Mit dem Ergebnis, dass Ihnen, als Sie der Gastfreundschaft Ihres Drogenbarons entronnen waren und sich nach mehreren Tagen hautnahen Wildniskontakts endlich nach Hause durchgeschlagen hatten, nicht der Heldenempfang zuteil wurde, den Sie sich vorstellten?«
»Genau.«
»Und,haben Sie alles ausgespuckt?«
»Bei dem Drogenbaron?«
»Bei Eloise.«
»Na ja, nicht alles «, sagte Luke, der selbst nicht verstand, warum er das mit sich machen ließ.
»Sie haben ihr das gestanden, was sie schon wusste oder mit Sicherheit noch herausfinden würde«, schlug Hector in beifälligem Ton vor. »Das Teilgeständnis, das sich als volle, rückhaltlose Beichte ausgibt. Kann man das so sagen?«
»Wahrscheinlich schon.«
»Ich will nicht schnüffeln, Luke, alter Junge. Kein Urteil über Sie fällen. Ich will nur klarsehen. Wir haben ein paar ziemlich gute Pferde miteinander gestohlen, als die Zeiten noch besser waren. In meinen Augen sind Sie ein verdammt guter Mann, deshalb sind Sie hier. Was halten Sie davon? Im Großen und Ganzen. Von dem Brief, den Sie da in der Hand haben. Und dem Rest.«
»Dem Rest? Na ja, ein bisschen verwirrt bin ich schon.«
»Verwirrt wovon?«
»Warum diese Dringlichkeit, zum Beispiel? Sicher, es ist ab sofort. Aber die Stelle existiert ja nicht.«
»Muss sie auch nicht. Der Plot ist doch hieb- und stichfest. Die Truhen sind leer, also geht der Chef mit seinem Säckel zum Fiskus und bittet um mehr Geld.
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