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Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
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Parliament Hill vom häuslichen Esstisch – von dem schönen fleischigen Freilandhähnchen mit Semmelbröseln, das seine Frau Eloise extra gebraten hatte, für ihn und seinen Sohn Ben und einen israelischen Schulfreund von Ben – und machte sich, den Widerhall seiner eigenen Entschuldigungen noch im Ohr, zu einer Besprechung auf, die gut die wichtigste in seiner wechselvollen Spionagelaufbahn werden konnte.
    Sein Ziel, soweit es Eloise und Ben wissen durften, war die potthässliche Geheimdienstzentrale am Themseufer in Lambeth – la Loubianka-sur-Tamise , nannte sie Eloise, in deren Adern französisches Adelsblut floss. In Wirklichkeit war es, wie während der letzten drei Monate auch schon, Bloomsbury. Als Fortbewegungsmittel wählte er, trotz oder gerade wegen seiner inneren Anspannung, statt U-Bahn oder Bus Schusters Rappen, eine Gewohnheit noch aus Moskauer Zeiten, wo drei Stunden Pflastertreten bei jedem Wetter zum Standardprogramm gehört hatten, wenn ein toter Briefkasten geleert sein wollte oder in einem offenen Hauseingang eine dreißigsekündige atemlose Übergabe von Geld und Material zu bewerkstelligen war.
    Fürden Fußmarsch vom Parliament Hill nach Bloomsbury (eine gute Stunde veranschlagte Luke dafür in der Regel) nahm er möglichst jeden Tag eine andere Route, weniger um eingebildete Verfolger abzuschütteln, auch wenn er diesen Gedanken selten ganz loswurde, sondern um die Nebenstrecken einer Stadt neu zu erkunden, die er nach Jahren im Auslandsdienst etwas aus dem Blick verloren hatte.
    Und weil heute die Sonne so schön schien und er den Kopf für den bevorstehenden Einsatz freibekommen wollte, hatte er einen Schwenk durch den Regent’s Park beschlossen, bevor er in östlicher Richtung weiterging, und war deshalb noch eine halbe Stunde früher aufgebrochen. In seine Stimmung, die aufgekratzt war, voller Erwartung, mischte sich auch eine Portion Angst. Er hatte kaum ein Auge zugetan. Er musste die Kaleidoskopscherben in seinem Innern zur Ruhe bringen. Er brauchte den Anblick normaler, ungeheimer Menschen, er musste Blumen sehen, die Alltagswelt.
    »Ein ganz klares Ja von ihm, und ein noch klareres Ja, und ihr könnt mich mal von ihr«, hatte Hector über die verschlüsselte Leitung geschwärmt. »Heute Mittag um zwei erstatten wir Billy Boy Bericht, und der liebe Gott im Himmel schaut zu.«
    * * *
    Sechs Monate zuvor, als Luke nach drei Jahren Bogotá daheim Däumchen drehte, hatte ihm die Chefin der Personalabteilung, die Pique Dame, wie sie geheimdienstweit respektlos genannt wurde, eröffnet, dass er fürs Abstellgleis bestimmt war. Er hatte es nicht anders erwartet. Trotzdem dauerte es ein paar schmerzhafte Sekunden, bis er ihre Botschaft dechiffriert hatte.
    »Der Dienst übersteht die Rezession mit seiner mittlerweileschon sprichwörtlichen Unverwüstlichkeit, Luke«, versicherte sie ihm in so kernig-optimistischem Tonfall, dass man es ihm nicht verdenken konnte, wenn er sich einen Augenblick lang eher als Leiter eines Regionalbüros sah als unter der Brücke. »Unsere Aktien in Whitehall stehen so hoch wie noch nie, wenn ich das ganz unbescheiden so sagen darf, und der Zulauf ist größer denn je. Achtzig Prozent der jungen Hoffnungsträger, die wir letztens rekrutieren konnten, haben mit Auszeichnung an einer renommierten Universität abgeschlossen, und niemand redet mehr über den Irak. Manche haben sogar eine doppelte Auszeichnung, können Sie sich das vorstellen?«
    Das konnte Luke, verkniff sich aber den Hinweis, dass er sich auch mit einer bloßen Zwei plus zwanzig Jahre über sehr anständig geschlagen hatte.
    Das einzige echte Problem heutzutage, erklärte sie in dem gleichen bewusst frohgemuten Ton, sei, dass Männer von Lukes Kaliber und Besoldungsstufe, die ihre natürliche Wasserscheide erreicht hätten, immer schwieriger unterzubringen seien. Und manche könnten einfach gar nicht mehr untergebracht werden, klagte sie. Aber was blieb ihr übrig, wollte sie von ihm wissen – bei einem so jungen Chef, der es nun mal lieber hatte, wenn seine Mitarbeiter kein Gepäck aus dem Kalten Krieg mit sich rumschleppten? Es sei einfach zu traurig.
    Das Beste , was sie ihm bieten könne, leider Gottes, Luke, trotz seiner ausgezeichneten Arbeit in Bogotá – und so tapfer auch noch!, und übrigens, was er in seinem Privatleben mache, spiele für sie keinerlei Rolle, solange es nicht seine Leistung beeinträchtige, was es ja nun erwiesenermaßen nicht getan habe (all dies gleichsam in

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