Verr�ter wie wir
Fiskus stellt sich stur. ›Keine Chance. Wir sind blank. Holt’s euch von den ganzen Hallodris zurück, die ihr freigehalten habt.‹ Ich fand, das klingt sehr plausibel in Zeiten wie diesen.«
»Doch, hört sich gut an«, sagte Luke ernsthaft und fühlte sich dabei noch hilfloser, als er es seit seiner unrühmlichen Rückkehr nach England ohnehin schon tat.
»Also, wenn es für Sie nicht gut klingt, dann sagen Sie’s jetzt, Himmelherrgott. Zweite Chancen gibt’s bei diesem Spiel nämlich keine.«
»Doch, es klingt sehr gut, sicher. Und ich bin Ihnen sehr dankbar,Hector. Danke, dass Sie an mich gedacht haben. Danke für die Hilfestellung.«
»Die Pique Dame will Ihnen Ihr eigenes Büro geben, die gute Seele. Gleich neben der Finanzabteilung. Gut, da kann ich ihr nicht dreinreden. Wäre ein bisschen unhöflich. Aber ich rate Ihnen: Machen Sie um die Finanzabteilung einen großen Bogen. Die wollen sich von Ihnen nicht in die Karten gucken lassen, und wir uns von denen genauso wenig. Oder?«
»Nein, wohl nicht.«
»Wie auch immer, Sie werden eh nicht viel dort sein. Sie werden die Gegend unsicher machen, Ihre Netze in Whitehall auswerfen und den Bonzen-Ministerien tüchtig auf den Senkel gehen. Ein-, zweimal die Woche schauen Sie dann bei mir vorbei, berichten mir über Ihre Fortschritte, frisieren Ihre Spesen auf, und das war’s. Nehmen Sie es mir immer noch ab?«
»Nicht so richtig.«
»Warum nicht?«
»Na ja, warum sitzen wir hier , beispielsweise? Warum schicken Sie mir nicht einfach eine Mail runter ins Erdgeschoss oder rufen mich übers Haustelefon an?«
Für Kritik war Hector noch nie zu haben gewesen, erinnerte sich Luke, und er war es auch jetzt nicht. »Mann Gottes! Und wenn ich Ihnen eine Mail geschickt hätte? Oder Sie angerufen hätte, was auch immer? Würden Sie es mir dann abnehmen? Das Angebot der Pique Dame, so wie es hier vor Ihnen liegt, verdammt?«
Verspätet erstand vor Lukes geistigem Auge ein anderes, erfreulicheres Szenario.
»Wenn Sie mich fragen, ob ich das Angebot der Pique Dame, so wie es in dem Brief umrissen ist, annehme – wenn Sie mich das rein theoretisch fragen –, lautet meine Antwort ja. Wenn Sie mich – wiederum rein theoretisch – fragen, ob es mir verdächtig vorkäme, wenn ich den Brief aufmeinem Schreibtisch oder in meinem Posteingang vorfinden würde, dann ist die Antwort, nein, es käme mir nicht verdächtig vor.«
»Pfadfinderehrenwort?«
»Pfadfinderehrenwort.«
In dem Moment wurde aggressiv am Türgriff gerüttelt, es folgte mehrfaches wütendes Klopfen. Mit einem müden »Drecksbagage« bedeutete Hector Luke, sich zwischen die Regale zu verdrücken, sperrte die Tür auf und steckte den Kopf durch den Spalt.
»Tut mir leid, alter Junge, heute ist zu«, hörte Luke ihn sagen. »Müssen hier kurz mal Inventur machen. Der übliche Schlamassel. Die Leutchen nehmen Bücher mit und tragen sich nicht ein. Hoffentlich sind Sie nicht auch so einer. Freitag wieder, ja? So ziemlich das erste Mal, dass ich froh bin, dass ich mir den Bibliothekarsposten aufhalsen lassen hab«, fuhr er in kaum leiserem Ton fort, während er die Tür zudrückte und neuerlich abschloss. »Sie können wieder rauskommen. Und bevor Sie jetzt denken, ich führe irgendein Kamikaze-Komplott an, lesen Sie diesen Brief hier besser auch noch, dann geben Sie ihn mir wieder, und ich esse ihn auf.«
Dieses zweite Kuvert war blassblau und auffallend dickwandig. Die Prägung auf der Umschlagklappe zeigte einen Löwen und ein Einhorn, beide steigend. Und in dem Kuvert ein Bogen vom selben Blau, die kleinstmögliche Größe, mit dem ominösen Briefkopf: Büro des Amtschefs.
Lieber Luke,
hiermit bestätige ich Ihnen, dass die höchst vertrauliche Unterhaltung, die Sie heute mit unserem gemeinsamen Kollegen beim Lunch in seinem Club führen, mit meiner inoffiziellen Zustimmung stattfindet.
Mit bestem Gruß –
unddann eine winzig kleine Unterschrift, die aussah, als wäre sie mit vorgehaltener Pistole erzwungen worden: William J. Matlock (Persönlicher Referent des Amtschefs), besser bekannt als Billy Boy Matlock oder auch einfach »der Bulle« – was fast alle, die sich je mit ihm angelegt hatten, deutlich mehr überzeugte –, dienstältester und gnadenlosester Troubleshooter des Secret Service und linke Hand des Bosses höchstselbst.
»Augenwischerei und sonst nichts, aber was bleibt dem armen Schwein schon übrig?«, bemerkte Hector, während er den Brief in sein Kuvert zurücksteckte und
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