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Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
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Fische und lassen die Haie im Becken. Ein Typ wäscht ein paar Millionen? Was für ein verdammter Schuft! Alarmiert die Bankenaufsicht, legt ihn in Ketten! Aber ein paar Milliarden? Da lässt sich schon eher drüber reden. Milliarden, das ist Statistik .« Und er verfiel ins Sinnen, die Augen geschlossen, so dass er einen Moment lang seiner eigenen Totenmaske glich, oder zumindest erschien es Luke so. »Sie müssen mir in nichts beipflichten, Lukie«, sagte er dann gütig und öffnete die Augen wieder. »Die Tür steht offen. Bei dem Ruf, der mir vorauseilt, hätten eine Menge Leute längst das Weite gesucht.«
    Die Metaphorik kam Luke reichlich ironisch vor, da Hector den Schlüssel ja eingesteckt hatte, aber er behielt den Gedanken für sich.
    »Sie müssen nur nach dem Lunch ins Büro zurückgehen und der Pique Dame sagen, tausend Dank, aber Sie sitzen Ihre Zeit lieber im Erdgeschoss ab. Kassieren Sie Ihre Pension, lassen Sie die Finger von Drogenbaronen und Kollegenfrauen, dann können Sie für den Rest Ihres Lebens eine ruhige Kugel schieben. Noch ist kein Porzellan zerschlagen.«
    Luke brachte ein Lächeln zustande. »Eine ruhige Kugel schieben ist nicht so mein Ding, fürchte ich«, sagte er.
    Aber Hector wollte es partout auf die harte Tour. »Was ich Ihnen hier biete, ist eine Einbahnstraße ins Nichts«, insistierte er. »Wenn Sie sich auf diese Sache einlassen, greifen Sie zu hundert Prozent in die Scheiße. Wenn wir verlieren, sind wir zwei glücklose Denunzianten und Nestbeschmutzer. Und wenn wir gewinnen, hasst uns der ganze Whitehall-Westminster-Dschungel samt allen Neben-, Außen- und Zwischenstellen. Ganz zu schweigen von dem Dienst, den wir nach besten Kräften lieben und ehren und dessen Gebote wir achten.«
    »Und das ist alles, was ich erfahre?«
    »Zu Ihrem Schutz und meinem, ja. Kein Gefummel, bevor Sie nicht mit mir an den Altar treten.«
    Sie standen an der Tür. Hector hatte den Schlüssel gezückt und steckte ihn ins Schloss.
    »Achja. Billy Boy«, sagte er.
    »Was ist mit ihm?«
    »Er wird Sie in die Zange nehmen. Garantiert. Zuckerbrot und Peitsche. ›Was hat dieser Spinner Meredith Ihnen erzählt? Was plant er und wo? Wen heuert er an?‹ Wenn das passiert, sprechen Sie vorher mit mir, und danach sprechen Sie wieder mit mir. Niemand ist bei dieser Sache koscher. Jeder ist schuldig, bevor nicht seine Unschuld erwiesen ist. Abgemacht?«
    »Bis jetzt habe ich mich in Verhören eigentlich immer recht wacker gehalten«, erwiderte Luke, dem es an der Zeit schien, seinerseits ein paar Pflöcke einzuschlagen.
    »Trotzdem«, sagte Hector und wartete weiter auf seine Antwort.
    »Hat es vielleicht mit Russland zu tun?«, fragte Luke hoffnungsvoll – eine echte Eingebung, empfand er später. Er war hochgradig russophil und hatte es immer schwergenommen, dass man ihn aus Russland abgezogen hatte, weil man ihm Überidentifikation mit dem Feind unterstellte.
    »Könnte mit Russland zu tun haben. Könnte mit so ziemlich allem zu tun haben«, gab Hector zurück, und aus seinen großen grauen Augen loderte das Zelotenfeuer.
    * * *
    Hatte Luke zu irgendeiner Zeit wirklich ja gesagt? Ließ sich im Rückblick ein Moment ausmachen, in dem er erklärt hatte: »Ja, Hector, ich komme zu Ihnen an Bord, gefesselt und mit einem Sack überm Kopf wie in der Nacht damals in Kolumbien, und schließe mich Ihrem mysteriösen Kreuzzug an« – oder etwas in der Art?
    Nein, nichts dergleichen.
    Selbst als sie sich zum »zweitschlechtesten Mittagessen der Welt« setzten, wie Hector es fröhlich beschrieb, »erster Preisnoch nicht vergeben«, plagten Luke noch schleichende Zweifel, ob das, wofür er hier rekrutiert wurde, nicht doch einer jener Privatkriege war, wie sie der Geheimdienst von Zeit zu Zeit wider besseres Wissen führte, jedes Mal mit verheerenden Folgen.
    Hectors erste Anläufe zu liebenswürdigem Small Talk zerstreuten diese Ängste nicht gerade. Er hatte ihnen Plätze am äußeren Rand des gruftartigen Speisezimmers ausgesucht, an dem Tisch, der dem Klappern aus der Küche am stärksten ausgesetzt war, und erteilte Luke eine Meisterlektion in der hohen Kunst der eindeutig-zweideutigen Gesprächsführung an öffentlichen Orten.
    Beim Räucheraal erkundigte er sich zunächst nur nach Lukes Familie, wobei er die Namen sowohl seiner Frau als auch seines Sohnes aus dem Kopf wusste, für Luke ein weiterer Beweis, dass er in seiner Personalakte gelesen hatte. Zum Hackfleischauflauf mit matschigem Kohl, serviert

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