Verruchte Begierde: Roman (German Edition)
angezogen, nicht für eine Pressekonferenz. Ihre Garderobe war zerknittert, und ihr Vierundzwanzig-Stunden-Make-up fühlte sich wie eine getrocknete, bröckelnde Schlammschicht an.
Bei dieser Frage aber war sie auf einen Schlag wieder hellwach. Bei ihren Überlegungen im Verlauf der Nacht war sie zu einem bruchstückhaften, unvollständigen Ergebnis gekommen, jetzt aber sah sie völlig klar. »Weil ich Mr McKee gegenüber damals voreingenommen war.«
»Wegen der Anschuldigungen, die er gegen Ihren verstorbenen Mann erhoben hat?«
»Ja.«
Ihr Anwalt baute sich schützend vor ihr auf. »Diese Fragen haben nichts mit der momentanen Situation zu tun. Ms Stewart hat Ihnen nichts mehr zu sagen.«
»Oh doch, das habe ich«, widersprach sie ihm, und sofort senkte sich vollkommene Stille über den Journalistentross. Selbst der Lärm der vorbeifahrenden Autos klang mit einem Mal gedämpft.
Noch vor ein paar Monaten hätte sie die Gelegenheit, Hunter McKee verbal zu attackieren, nach Kräften ausgenutzt. Nun aber nutzte sie die Chance, ihn zu verteidigen.
Statt den Kollegen zu erzählen, er brächte tote Männer in Verruf, machte ihre Witwen unschuldig zu Opfern und nutzte kontroverse Verfahren als Sprungbretter für seine eigene Karriere, würde sie sich auf seine Seite stellen. Dabei hätte sie die Macht, ihn endgültig zu ruinieren, indem sie enthüllte, dass er mitten in der Nacht heimlich in ihre Zelle geschlichen war.
Oh, ein süßeres Geheimnis hatte sie in ihrem ganzen Leben nicht gehabt.
Wie hatte sie jemals denken können, er wäre ein gemeiner Manipulator und ein elender Opportunist? Der Mann, den sie liebte, war durch und durch integer und hatte es bestimmt nicht nötig, irgendwelche politischen Spielchen zu spielen, damit er das Vertrauen der Öffentlichkeit gewann. Weil es das Gesetz verlangte, hatte er sogar die Frau, die er von Herzen liebte, ins Gefängnis gehen lassen. Gleichzeitig jedoch hatte er den persönlichen Ruin riskiert und die Nacht mit ihr zusammen hinter Gittern verbracht.
Die Reporter sahen zu ihr auf. Sie würden jedes Wort notieren, das sie sprach, sie würde zitiert, gefilmt, fotografiert. Noch vor einem Jahr hätte sie die Möglichkeit genutzt, Hunter zu zerstören. Jetzt aber war alles,
was sie denken konnte, dass der Mann die Liebe ihres Lebens war.
»Es stimmt«, setzte sie an. »Früher habe ich einen persönlichen Groll gegen Bezirksstaatsanwalt McKee gehegt. Einen persönlichen Groll, mehr nicht. Und auf höchst unprofessionelle Art habe ich meinen Zugang zu den Medien genutzt, um ihn nach Kräften zu beleidigen.«
Heiße Scham wogte in ihrem Innern auf, und sie hoffte verzweifelt, sie bräche nicht in Tränen aus. »Anders als ich hat er in diesem Fall seine persönlichen Gefühle strikt von seinen beruflichen Verpflichtungen getrennt. Er hat seine Integrität gewahrt, egal, wie viel ihn das persönlich gekostet hat. Ich habe Informationen zurückgehalten, und er hat darauf auf die einzige ihm mögliche Weise reagiert.«
Sie sah ihren Kollegen die Enttäuschung an. Sie hatte ihre Gedanken sortiert, in Einklang miteinander gebracht und akzeptiert, bevor sie sie laut ausgesprochen hatte, weshalb das, was sie gesagt hatte, von Herzen kam. Nur war es eben nicht die Art von reißerischer Aussage, die gut für eine Titelseite war.
»Wenn Sie uns jetzt entschuldigen würden«, fiel der Anwalt ihr erneut ins Wort. »Ms Stewart hat eine anstrengende Nacht hinter sich.« Er legte eine überraschend starke Hand auf ihren Ellbogen und führte sie dorthin, wo sein Wagen stand.
Nachrichtentechnisch war es ein rekordverdächtiger Tag. Die Spätnachrichten brachten eine Reihe von Berichten über den Doktor und die Schwester, von denen
aus einem der größten Krankenhäuser der Stadt heraus Babys auf dem Schwarzmarkt verschachert worden waren. Die drei entführten und verkauften Kinder hatte man gefunden, und die Journalisten hatten die tränenreichen Eltern ausführlich interviewt. Der Arzt hatte sein Gesicht vor den Kameras versteckt, als er in Handschellen aus einem Streifenwagen ins Gefängnis geleitet worden war.
Es ärgerte Kari, dass all das ohne sie gelaufen war, aber Pinkie hatte sich geweigert, sie heute arbeiten zu lassen. Als sie in der Redaktion erschienen war, war er vollkommen ausgeflippt und hatte ihr noch nicht einmal gestattet, die Post auf ihrem Schreibtisch durchzugehen.
»Fahr nach Hause. Ruh dich aus. Bonnie und ich kommen nach der Arbeit kurz bei dir vorbei.
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