Verruchte Lady
geben.«
»Warum? Ich habe genug Geld.«
»Ich schulde dir zehn Pfund. Es ist so etwas wie eine Ehrenschuld.« Gabriel ließ sie los und wandte sich in Richtung der Tür. »Dein Bruder hat mit mir gewettet, daß du meinen Befehl, im Haus zu bleiben, mißachten würdest. Und da ich die Absicht habe, ihm das Geld, das er gesetzt hat, abzuknöpfen, finde ich es nur fair, wenn du es bekommst. Schließlich hätte ich ohne deine Hilfe nicht gewonnen.«
Phoebe rang empört nach Luft. »Du hast eine Wette gewon-nen, nur weil ich dir gehorcht habe? Wie kannst du es wagen?« Sie stürzte zum Sofa, packte eines der bestickten Kissen und schleuderte es ihm wütend an den Kopf.
Gabriel machte sich noch nicht einmal die Mühe, sich umzudrehen. Er hob einfach die Hand und fing das Kissen auf, als es an seinem Ohr vorbeisegelte. »Gratuliere, meine Liebe. Bei den Fortschritten, die du machst, wirst du bald leuchtendes Vorbild weiblicher Tugend sein.«
»Nie im Leben.«
Gabriel grinste, als er den Raum verließ. Er hoffte nur, daß sie recht hatte.
Zwei Stunden später verging Gabriel das Grinsen. Er ging durch die Tür einer unscheinbaren Taverne und sah sich in dem kleinen, beinahe leeren Raum um. Stinton saß bereits an einem der Tische und erwartete ihn. Gabriel stapfte über den Holzfußboden und nahm dem kleinen Mann gegenüber Platz.
»Ich habe Ihre Nachricht erhalten«, sagte Gabriel ohne Umschweife. »Was gibt’s?«
»Ich weiß nich’ genau, Euer Lordschaft.« Stinton stemmte seinen Bierkrug in die Höhe und nahm einen großen Schluck. »Aber Sie ham mir den Auftrag gegeben, einen Jungen anzuheuern, der Ihr Stadthaus beobachten soll, während ich versuche, irgendwas über Mr. Baxter rauszufinden. Ich hab’ mir erlaubt, die Aufgabe meinem Sohn zu übertragen. Wir können das Geld auch genausogut innerhalb der Familie verdienen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Es ist mir vollkommen egal, wen Sie angeheuert haben. Ist irgend etwas vorgefallen?«
»Ich weiß nich’ genau, ob’s wichtig is’. Keine Ahnung.«
Gabriel rang um Geduld. »Wovon sprechen Sie, Mann?«
»Mein Junge sagte, daß vor etwa ’ner Stunde an der Hintertür von Ihrem Stadthaus ’ne Nachricht abgegeben worden is’.«
»Was für eine Nachricht?« fragte Gabriel verärgert.
»Keine Ahnung. Er hat nur gesagt, daß ’ne Nachricht abgegeben worden is’. Dachte, das würden Sie vielleicht wissen woll’n.«
Gabriel war enttäuscht. »Das könnte alles mögliche sein. Wahrscheinlich tauscht eins der Mädchen Liebesbriefe mit einem der Pagen aus der Nachbarschaft aus.«
»Ich glaube nich’, daß es ’n Liebesbrief war, Euer Lordschaft.« Stinton sah Gabriel nachdenklich an. »Un’ wenn’s einer war, dann war er bestimmt nich’ für eins der Mädchen. Mein Junge hat gehört, daß der Brief für die Hausherrin war.«
Gabriel erhob sich und warf ein paar Münzen auf den Tisch. »Danke, Stinton. Das dürfte für Ihr Bier reichen. Und kümmern Sie sich weiter um die andere Sache.«
»Da hab’ ich bis jetzt nich’ viel Glück gehabt.« Stinton seufzte. »Niemand scheint besonders viel über Mr. Baxter zu wissen. Anscheinend is’ er vor ein paar Tagen verschwunden.«
»Versuchen Sie es weiter.« Gabriel war bereits auf halbem Weg zur Tür.
Zwanzig Minuten später ging er die Stufen zu seinem Stadthaus hinauf. Shelton öffnete direkt beim ersten Klopfen.
»Wo ist meine Frau?« fragte Gabriel ruhig.
»Ich glaube, in ihrem Schlafzimmer«, sagte Shelton und nahm Gabriels Melone. »Soll ich ein Mädchen raufschicken, um Sie anzumelden?«
»Das wird nicht nötig sein. Ich gehe selbst hinauf.«
Gabriel ging an dem Butler vorbei und eilte die Treppe hinauf.
Oben angekommen, stürzte er den Flur hinab zu Phoebes Zimmer und riß ohne anzuklopfen die Tür auf.
Phoebe saß in einem leuchtendvioletten Kleid mit gelbem Saum an ihrem kleinen vergoldeten Schreibtisch. Als Gabriel in den Raum gestürzt kam, sah sie überrascht auf.
»Gabriel. Was in aller Welt machst du hier? Ich wußte gar nicht, daß du zu Hause bist.«
»Wie ich höre, hast du vor kurzem eine Nachricht erhalten.«
Sie riß die Augen auf. »Woher weißt du das?«
»Das ist unwichtig. Ich würde diese Nachricht gern sehen, wenn es dir nichts ausmacht.«
Phoebe sah ihn betroffen an. Ihr Gesichtsausdruck bestätigte Gabriels schlimmste Vermutungen. Was auch immer in dem Brief stand, es war gefährlich.
»Ich versichere dir, daß der Brief vollkommen unbedeutend war. Nur
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