Verruchte Lady
lediglich besagt, daß das Buch wieder hier sein soll, an, daß dieser Pirat wieder in die Maske des Gentleman geschlüpft und ebenfalls nach England zurückgekehrt ist?«
»Das halte ich für sehr wahrscheinlich. Vielleicht ist er mit genug Beute heimgekehrt, um jetzt in den besseren Kreisen verkehren zu können. Vielleicht gehört er ja sogar selbst zum Adel. Denken Sie nur, Sir - wer würde schon wissen, daß er vorher ein Pirat war? Alle Welt würde annehmen, daß er einfach sein Glück in der Südsee gemacht hat wie andere auch, um als reicher Mann zurückzukommen.«
»Sie verfügen über eine lebhafte Phantasie, Madam.«
Phoebe knirschte mit den Zähnen. »Mir scheint, Sir, daß Sie hingegen keinerlei Phantasie besitzen. Ich finde, daß meine Gedanken durchaus plausible sind. Und selbst wenn Sie recht haben und der Besitzer des Buches nicht der Pirat ist, dann weiß er vielleicht zumindest, wer dieser Pirat ist. Auf jeden Fall muß ich den Menschen finden.«
Ein lautes Krachen im Gebüsch am Rande des Weges unterbrach sie.
»Was in aller Welt...« Gabriel beruhigte seinen Hengst, als plötzlich ein Reiter aus den Bäumen brach und auf die Straße sprengte.
»Hände hoch und her mit den Wertsachen«, dröhnte der Neuankömmling unter einer Maske. Ein schwarzer Umhang verbarg seine Gestalt, und das Mondlicht fiel auf die Pistole in seiner Hand.
»Verdammt«, sagte Gabriel resigniert. »Ich wußte, daß ich heute nacht besser im Bett geblieben wäre.«
Kapitel 3
Gabriel bemerkte, daß die verschleierte Lady nicht sofort verstand, was ihnen gerade passierte. Doch dann sah sie offensichtlich den schimmernden Pistolenlauf in der Hand des Straßenräubers.
»Was, um Himmels willen, haben Sie vor?« fragte sie, als habe sie es mit einem etwas ungeschickten Bediensteten zu tun.
Gabriel konnte ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken. Die Lady hatte Mut. Er kannte nicht viele Frauen, die einen Straßenräuber mit einer solchen Geringschätzung behandelt hätten. Aber schließlich kannte er keine Frau, die auch nur die geringste Ähnlichkeit mit seiner impertinenten verschleierten Lady aufwies.
»Geld oder Leben.« Der Straßenräuber fuchtelte mit der Pistole zwischen Gabriel und seiner Begleiterin hin und her. »Un’ zwar schnell. Sonst schieße ich, un’ dann kriege ich ganz einfach, was ich will.«
»Ich habe nur ein paar Münzen bei mir«, verkündete die verschleierte Lady. »Und Schmuck trage ich auch nicht.«
»Ich nehme alles, was Sie dabei ham.« Der Straßenräuber blickte über den Rand seiner Maske zu Gabriel. »Nehme an, Sie ham ’ne Pistole dabei. Zieh’n Sie den Mantel aus un’ werfen Sie ihn auf den Boden.«
»Wie Sie wünschen.« Gabriel zuckte mit den Schultern und begann, seinen Mantel aufzuknöpfen.
Die verschleierte Lady war höchst beunruhigt. »Nein, Sie dürfen Ihren Mantel nicht ablegen, Mylord. Bei der Kälte werden Sie sich den Tod holen.« Sie wandte sich erneut an den Straßenräuber. »Ich bitte Sie, Sir. Zwingen Sie meinen Freund nicht, seinen Mantel auszuziehen. Er hat eine äußerst schwache Brust. Sein Arzt hat ihm gesagt, daß er niemals ohne Mantel herumlaufen soll.«
Gabriel warf ihr einen amüsierten Blick zu. »Wie freundlich von Ihnen, in dieser doch etwas angespannten Situation an meine Gesundheit zu denken, Madam.«
»Seine Brust wird noch wesentlich schwächer, wenn ich erst eine Kugel reingejagt hab’«, schnauzte der Straßenräuber. »Un’ jetz’ beeil’n Sie sich ’n bißchen.«
»Warten Sie. Sie dürfen Ihren Mantel nicht ausziehen, Mylord«, beharrte die Lady verzweifelt.
Aber es war bereits zu spät. Gabriel hatte seinen Mantel bereits geöffnet, und der Kasten mit dem Manuskript war deutlich zu sehen.
»Tja, was ham wir denn da?« Der Straßenräuber führte sein Pferd näher an Gabriels Hengst heran. »Sieht interessant aus.«
»Es ist nur ein alter Kasten«, sagte die Lady abwertend. »Nichts Wertvolles. Nicht wahr, Mylord?«
»In der Tat, ein alter Kasten«, pflichtete Gabriel ihr bei.
»Her damit.« Der Straßenräuber streckte eine Hand danach aus.
»Wagen Sie ja nicht, ihm den Kasten zu geben, Wylde«, befahl die Lady. »Hören Sie?«
»Ich höre.« Gabriel legte ein paar Münzen auf die Box und gab sie dem Angreifer.
Außer sich vor Zorn wirbelte die verschleierte Lady herum. »Rühren Sie den Kasten nicht an. Ich verlange, daß Sie ihn auf der Stelle zurückgeben. Er gehört mir.«
»Tja, nun, das kann ich nich’«, sagte
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