Verruchte Lady
werde, der sie zu Ende bringt.«
»Ich bin sicher, daß Sie sie bereits zu Ende gebracht haben«, sagte sie düster. »Ich kann nur wiederholen, daß Sie bisher eine große Enttäuschung waren, Mylord.«
»Das trifft mich tief.«
»Verdammt, ich meine es ernst.« Die verschleierte Lady kämpfte mit ihrer Stute. Das Tier reagierte nervös auf die erhobene Stimme ihrer Reiterin. »Und ich frage mich, wieso ich das Ganze überhaupt jemals angefangen habe.«
»Das frage ich mich auch«, sagte Gabriel. »Warum versuchen Sie nicht einmal, es mir zu erklären?«
»Ich dachte, Sie wären ganz anders«, sagte die verschleierte Lady in anschuldigendem Ton. »Ich dachte, Sie wären ein echter Ritter, der verstünde, was es heißt, eine heilige Mission zu haben. Vielleicht erinnern Sie sich daran, daß ich in meinem ersten Brief davon sprach, daß Sie möglicherweise wichtige Nachforschungen für mich anstellen sollten. Aber Sie haben mir ja noch nicht einmal geantwortet.«
»Das ist wohl nicht weiter überraschend, wenn man bedenkt, daß ich nichts weiter hatte als ein paar rätselhafte Briefe von einer unbekannten Frau, die mich fragte, ob ich für sie den Ritter spielen wolle. Als ich also diese Briefe ignorierte, stellte ich fest, daß diese Lady mir jeden mittelalterlichen Roman vor der Nase wegschnappte, an dem ich Interesse hatte. Die ganze Angelegenheit war wirklich ärgerlich.«
»Ich sagte doch bereits, daß ich ein Geheimnis schaffen wollte, an dessen Lösung Sie Interesse haben mußten.«
»Das ist Ihnen auch gelungen, Madam. Aber das Geheimnis ist noch nicht ganz gelüftet, obwohl ich eben Ihr Gesicht gesehen habe. Ich weiß immer noch nicht, wie Sie heißen.«
»Und das werden Sie auch nie herausfinden«, versicherte sie ihm. »Ich habe genug von diesem ganzen Unsinn. Ich werde selbst die Nachforschungen anstellen. Ich glaube, ich brauche und wünsche Ihre Hilfe doch nicht. Gute Nacht, Mylord. Es tut mir leid, daß Sie sich heute um Mitternacht vergeblich hierherbemüht haben.«
Unvermittelt trieb die verschleierte Lady ihre Stute an. Das Pferd verfiel in einen vollen Galopp und preschte den mondbeschienenen Hang hinab.
Gabriel wartete einen Augenblick, ehe er ihr langsam nachritt. Er hörte die donnernden Hufe der Stute, die sich eilig entfernte, aber er unternahm keinen Versuch, sie einzuholen. Er wollte ihr nur folgen, um zu sehen, daß sie sicher nach Hause kam. Inzwischen konnte er sich vorstellen, wohin sie unterwegs war.
Ein paar Minuten später ritt er um eine Kurve und sah, daß seine Vermutung richtig gewesen war. Er blieb in der Dunkelheit verborgen und beobachtete, wie die verschleierte Lady in die Auffahrt des prächtigen Landsitzes von Lord und Lady Amesbury einbog.
Die große Zahl der Kutschen vor der Tür verriet, daß die Amesburys an diesem Wochenende einen ihrer berühmten Hausbälle veranstalteten. Musik und Licht drangen aus den offenen Fenstern des riesigen Hauses. Lady Amesbury lud niemals weniger als hundert Personen zu ihren Festen ein.
Es war offensichtlich, daß sich seine verschleierte Lady fortgeschlichen hatte, um ihre mitternächtliche Verabredung einzuhalten. Bei der Anzahl von Gästen mußte es ein leichtes gewesen sein, unbemerkt zu verschwinden. Die meisten der Eingeladenen waren inzwischen sicher sturzbetrunken. Niemand hätte sie also vermißt.
Gabriel war klar, daß es nicht leicht sein würde herauszufinden, wer die verschleierte Lady war. Die Gästeliste würde eine Reihe bedeutender Mitglieder der besseren Gesellschaft und die meisten Adligen der Umgebung umfassen.
Dennoch war er nicht enttäuscht. Es gab andere Wege, den Namen der Lady in Erfahrung zu bringen. Aber zuerst mußte er sich darum kümmern, Der Ritter und der Zauberer zurückzubekommen. Er wendete seinen Hengst und trabte den Weg zurück.
Kapitel 4
Zwanzig Minuten später brachte er seinen Hengst unter den Bäumen in der Nähe von Nashs Cottage zum Stehen. Es überraschte ihn nicht, daß hinter einem der Fenster immer noch Licht brannte.
Er band die Zügel des Pferdes an einem Ast fest und ging hinüber zu einer kleinen Scheune hinter dem Häuschen. Als er die Scheunentür öffnete, hörte er leises Wiehern in der Dunkelheit. Er sah die Umrisse eines Pferdekopfes.
»Ruhig, Junge.« Gabriel ließ die Tür auf, so daß das Licht des Mondes in das Innere der Scheune fiel. Er ging hinüber zu der Box. Das Pferd schnaubte leise und streckte den Kopf über die Tür.
»Du hast heute nacht schon
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