Verruchte Lady
Grundstücks auf der Stelle durchsucht wird. Rollins, Sie werden die Leute in verschiedene Gruppen einteilen. Wir treffen uns dann in einer Stunde wieder hier.«
»Sehr wohl, Mylord.« Rollins zögerte. »Verzeihen Sie, Sir, aber glauben Sie, daß etwas passiert ist?«
»Wahrscheinlich ist sie spazierengegangen und hat sich dabei
verlaufen«, sagte Gabriel, ohne es auch nur eine Minute selbst zu glauben. »Sie kennt sich hier noch nicht besonders gut aus. Beginnen Sie auf der Stelle mit der Suche.«
»Sehr wohl, Mylord.«
Gabriel stürzte durch die Tür und rannte die Vordertreppe hinunter. Von einer entsetzlichen Unruhe getrieben, eilte er über den Hof und durch die Tore der Burg.
Sie hatte versprochen, daß sie nicht noch einmal vor ihm davonlaufen würde.
Gabriel erreichte die Klippen und starrte auf die Felsen und das Treibholz hinab, die den schmalen Strand bedeckten. Wenn sie einen Spaziergang gemacht hätte, wäre sie bestimmt hier oben auf den Klippen geblieben. Sie hätte gewiß nicht versucht, zum Wasser hinabzuklettern.
Aber bei Phoebe wußte man nie. Sie war durchaus in der Lage, ein solches Risiko einzugehen. Er erschauderte, als er daran dachte, wie und wo er ihr zum ersten Mal begegnet war. Um Mitternacht auf einer einsamen Landstraße. Die Frau war eine Gefahr für sich selbst.
Wenn er sie fand, würde er sie an eine extrem kurze Leine legen. Er hatte genug von diesem Unsinn.
Genug von dieser entsetzlichen Angst.
Er zwang sich zur Ruhe und versuchte, sich an die Farbe des Kleides zu erinnern, das Phoebe heute morgen getragen hatte. Es war ein ziemlich leuchtendes Zitronengelb gewesen. Mit einem Rüscheneinsatz. Sie hatte strahlend und fröhlich darin ausgesehen.
Nicht im geringsten wie eine Frau, die vorhatte, vor ihrem Ehemann davonzulaufen.
Gabriel begann, am Rand der Klippen entlangzugehen. Er weigerte sich zu glauben, daß sie erneut fortgelaufen war, bis er nicht jede andere Möglichkeit ausgeschlossen hatte.
Als er etwas Weißes auf den wasserumspülten Felsen entdeckte, runzelte er die Stirn. Einen Augenblick dachte er, es sei
lediglich eine Reflexion des Sonnenlichts auf der Gischt. Doch dann bewegte sich der weiße Fleck und schob sich höher au den Felsen. Er erkannte blasse Beine und Arme und einen Haufen nasser, dunkler Haare.
Phoebe.
Gabriels Magen zog sich zusammen. Einen Augenblick fragte er sich, ob die kleine Närrin schwimmen gegangen war. Doch dann wurde ihm klar, daß sie inmitten der wogenden Brandung um ihr Leben kämpfte.
»Phoebe! Halt aus. Ich komme«, rief er, während er den schmalen Weg zum Strand hinabrannte. Den Kies und den Sand, den er dabei lostrat, bemerkte er gar nicht. Er sprang den letzten Meter, landete im Sand und stürzte sich in das hüfttiefe Wasser.
»Um Gottes willen. Phoebe.«
Der wirre Haufen nassen Haares bewegte sich. Phoebe wandte ihren Kopf, wobei ihre Wange über die Muscheln, schrammte. Noch halb im Wasser, klammerte sie sich an den' Felsen. Sie öffnete halb die Augen und setzte ein herzerweichendes, erschöpftes Lächeln auf.
»Ich wußte, daß du mich retten würdest, Gabriel.«
»Verdammt und zugenäht, was hast du hier unten zu suchen?« Gabriel zog sie von dem Felsen und nahm sie in die Arme. Ihr nasses Hemd war vollkommen durchsichtig. Er sah die dunklen Knospen ihrer Brustwarzen, als sei sie nackt. »Wo sind deine Kleider? Was in aller Welt ist passiert?«
»Ich habe dich gesucht.« Ihre Stimme war beängstigend schwach. Sie hing vollkommen leblos in seinen Armen und schloß die Augen.
»Phoebe, mach die Augen auf.« Gabriel hörte, daß seine Stimme rauh vor Besorgnis war. »Mach sofort die Augen auf und sieh mich an.«
Sie gehorchte. »Warum? Ich bin doch jetzt in Sicherheit, oder nicht?«
»Ja«, flüsterte er, während er sie an den schmalen Strand trug. »Du bist in Sicherheit.«
Sie war nicht vor ihm davongelaufen.
Eine Stunde später lehnte Phoebe in den Kissen in ihrem Bett. Unter Gabriels Aufsicht hatte sie ein warmes Bad genommen und zahllose Tassen heißen Tee getrunken. Er hatte nicht eher Ruhe gegeben, als bis ihre Lippen und ihre Wangen wieder Farbe bekommen hatten.
Als sie angefangen hatte, sich über den ganzen Tee und den Wirbel, der um sie gemacht wurde, zu beschweren, wußte er, daß es ihr wieder besser ging. Er schickte das Mädchen mit einem kurzen Kopfnicken aus dem Zimmer.
Er hätte sie beinahe verloren. Diese schreckliche Gewißheit, die in seinem Inneren nagte, machte ihn wütend
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