verrueckt nach mehr
dich, was glaubst du denn?«
»Dann steh auf«, sagte ich und winkte ihn mit dem Zeig e finger her, als Zeichen, dass er mir folgen sollte.
Sergio fuhr mich zur Schule, sodass ich sogar überpünk t lich war und ganz entspannt in mein Klassenzimmer gehen konnte. Ich freute mich irgendwie auf den Unterricht, auf A d riana und überhaupt war meine Laune bestens.
Tschukka
Die nächsten Wochen verliefen erstaunlich friedvoll. W e der in der Schule noch in unseren Familien gab es nennen s werte Reibereien. Und genau diese Tatsache verursachte manchmal eine merkwürdige Unruhe in mir: ein irrationales Gefühl, es läge Unheil in der Luft. Dummerweise passte sogar das Wetter dazu. Dauernd hatte man den Eindruck, ein Gewi t ter würde bald aufziehen. Fast täglich hingen schwere Wolken am Himmel und hatten alle möglichen Grautöne anzubieten. Sie wirkten über der Stadt ein bisschen wie eine Drohung, die auf den richtigen Zeitpunkt wartete, um wahr zu werden.
Es war kalt geworden.
Ohne Jacke und Schal ging nichts mehr. Sogar Bojan trug inzwischen dicke Pullover und stets eine schwarze Wollmütze, wobei er bei Letzterem auf den modischen Aspekt hinwies. Ab und zu regnete es, meist dann, wenn man keinen Schirm bei sich hatte. Ich sagte mir, dass man vom November nichts a n deres erwarten durfte. Nur noch wenige Blätter trotzten ihrem Schicksal und hielten sich mit letzter Kraft an den Ästen fest. Doch es war lediglich eine Frage der Zeit, bis sie vom Wind davongetragen werden würden.
Nach Ablauf seiner einwöchigen Krankschreibung und e i nem Check beim Hausarzt, zu dem er überredet werden mus s te, ging Sergio wieder regelmäßig zur Schule. Es gab einige, die gar nicht glücklich über seine Rückkehr waren, wie zum Beispiel Hakan. Oder Mark, dessen Miene sich sofort verfin s terte, wenn er uns beide zusammen sah. Meist blickte ich böse zurück und überlegte in dem Moment, ob ich ihn mit meiner Verdächtigung unter vier Augen noch mal konfrontieren sollte. Ich hatte keine Angst vor ihm. Aber was diesen Vorfall auf der Halloween-Party anging, war ich völlig zwiegespalten und zunehmend unsicherer. Wie er mich bedrängt und seine Hand in meinen Slip geschoben hatte, war etwas, das ich vergessen wollte, oder zumindest verdrängen. Vor allem kam es mir nicht mehr richtig vor, Sergio davon zu erzählen und ihn damit nur unnötig aufzuwühlen. Er würde sich Mark ganz sicher vorknöpfen wollen, selbst wenn der alles leugnete, und die Konsequenzen wären nicht absehbar. So entschied ich mich auch, Adriana nicht einzuweihen, denn sie würde die G e schichte vor Sergio nicht geheim halten können. Da war ich mir sicher. Bestimmt würde sie sie auch Joshua erzählen und der würde herausfinden wollen, welcher von seinen Gästen das Schwein gewesen war ...
Nein. Das Thema war erledigt und ich konnte nur hoffen, dass Bojan schön die Klappe hielt. Allerdings war es auch in seinem Interesse, die Sache nicht wieder aufzurollen.
Für viele Mädchen aus der Schule bedeutete die Tatsache, dass Sergio wieder auf der Bildfläche erschien, die große Au f regung schlechthin. Es war ihren huschenden Blicken anzus e hen, wie schwer sie sich taten, keine Annäherungen zu starten. Ich war mir sicher, dass sie auf der Lauer lagen und genau mitverfolgten, wie es zwischen Sergio und mir lief. Den G e rüchten zufolge glaubten sie, Grund zur Hoffnung zu haben, da wir beide unsere Ringe nicht mehr trugen. Sergio fand das Ganze eher amüsant und kaum einen Gedanken wert.
Herr Blum, sein Astrophysiklehrer, wiederum schien außer sich vor Freude und vor allem bestrebt, ihn für seinen Zusatz-Kurs zu interessieren. Er wollte Sergio unbedingt zu seinem Assistenten ernennen. Sergio meinte etwas belustigt, dass das Blödsinn sei und diese Stelle gar nicht wirklich existiere, wi l ligte aber trotzdem ein. Der Kurs half ihm, den versäumten Stoff nachzuholen. Er gewöhnte sich an, morgens in aller Fr ü he aufzustehen, um zu lernen. Das sei die einzige Möglichkeit, sagte er, weil er nachmittags wegen Yvo keine Zeit habe und abends keine Lust, da wolle er lieber mit mir zusammen sein, wogegen ich natürlich kaum etwas einzuwenden hatte.
Was Yvo betraf, schien Jelena - zu Sergios und unser aller Freude - endlich optimistischer in die Zukunft zu blicken. Auch die Förderschule bestätigte einen Entwicklungsschub und war der Meinung, dass der Kleine in den kommenden Jahren, entgegen anfänglichen Prognosen, immer selbstständ i ger
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