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Verrückte Lust

Verrückte Lust

Titel: Verrückte Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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zur
    Hauptverkehrszeit, lagen sich Frauen in den Armen, schwarze und weiße bunt gemischt. Die Luft war parfümgeschwängert.
    Es war ohrenbetäubend laut. Er bahnte sich einen Weg in den Keller, wo, fast im Mittelpunkt des Raumes, Hildred saß, umgeben von einer Gruppe verlebt aussehender Frauen, unter ihnen auch Toots und Ebba sowie Ilias und ihre Mutter. Sie hingen schlaff halb über den Tischen und redeten alle
    gleichzeitig, und offenbar störte sich keine an dem Lärm, der hier herrschte. Sie sehen verblüht aus, dachte er, als er zu dem Tisch ging und Hildred auf die Schulter klopfte.
    Hildred sah ihn entgeistert an.
    »Ich möchte mit dir sprechen«, sagte er. Sogleich verstummte das Geplapper.
    Hildred entschuldigte sich, stand auf und ging zur Garderobe, gefolgt von Vanya, die ihn rachsüchtig anstarrte. Er setzte sich neben eine dicke Norwegerin, mit der Hildred sich unterhalten hatte. Sie schien die einzige zu sein, die sein Erscheinen nicht übelnahm. Trotz des schläfrigen Ausdrucks ihrer Augen besaß sie einen ungewöhnlich wachen Geist, eine fast unverschämte Direktheit. Zugleich hatte sie etwas Lächerliches an sich – ihre großen, schlaffen Brüste hingen wie Bratpfannen unter ihrer gestärkten Bluse. Sie fragte ihn, ob er Hildred und Vanya schon sehr lange kenne. Ihre Unterhaltung wurde
    unterbrochen. Zwei Lesben mit stachligen Frisuren sprangen plötzlich an gegenüberliegenden Seiten des Raums auf und begannen einander zuzusingen, die eine in einem tiefen Bariton, die andere in einem alkoholvergifteten Falsett. Kaum war diese Vorstellung beendet, da erhob sich eine junge Wikingerin und trällerte mit engelsgleicher Stimme »My Little Gray Home in the West«. Dann stand ein Seemann auf und sang ein unanständiges Lied, worauf die Norwegerin Tony Bring sehr unverblümt und kühl fragte, wie lange Hildred eigentlich schon Rauschgift nehme. Er sah sie befremdet an.
    Toots und Ebba schalteten sich in die Unterhaltung ein. Sie könnten nicht verstehen, sagten sie, daß Vanya einem
    Menschen wie Hildred erlaube, sie zu tyrannisieren. Jeder könne doch sehen, daß Hildred hohl und leer sei. Vanya sei diejenige, die über Persönlichkeit und Intelligenz verfüge.
    Auch Ilias’ Mutter hatte etwas dazu zu sagen. Sie mochte Hildred nicht. Sie mißtraute ihr, verriet jedoch nicht, warum.
    Ebba sagte, Hildred sei durch und durch falsch. Sie sei gar nicht wirklich an Vanya interessiert – sie benutze sie bloß.
    Wenn man ihre Meinung hören wolle: Was Hildred wolle, sei ein Mann. »Du meinst…?« rief Ilias’ Mutter, hielt jedoch unvermittelt inne, als sie den Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Tochter bemerkte. Hier wurde Minna, die Norwegerin, wieder lebendig. In ihren Augen hatte sie ein verschlagenes, ein bösartiges Glitzern, das bis dahin unter dem Schleimfilm verborgen gewesen war, den sie anscheinend willentlich erzeugen konnte. »Was wißt ihr denn schon?« sagte sie.
    »Hildred könnte ebensogut verheiratet sein. Und wenn sie nicht verheiratet ist, liebt sie jemanden… einen Mann. Vanya ist nicht die einzige Saite auf ihrer Geige.« Das wurde mit brüllendem Gelächter quittiert, gefolgt von unbezähmbarer Heiterkeit, als Ilias zu der Bemerkung ansetzte, Hildred sei ein sehr lieber Mensch und habe sich ihr gegenüber nie anders verhalten als eine gute Freundin, und so weiter.

    Sie lagen im Bett. Er weigerte sich zu erklären, warum er sie geholt hatte, warum er sie nach Hause geschleppt hatte. Kein Wort kam über seine Lippen. Er murmelte bloß
    unzusammenhängendes Zeug – »Männer in bunten Hemden…
    Athleten mit Stiernacken« – Geschwätz, Geschwätz. Ab und zu wälzte er sich herum und sagte: »Der Brief… der Brief hat sich nicht wegspülen lassen«, und dann kamen wieder
    unzusammenhängende Sätze. Sie tat, als sei sie eingeschlafen, sie schnarchte sogar, doch immer noch murmelte er: »Der Brief… der Brief hat sich nicht wegspülen lassen… Streng vertraulich… Heilig…« Sie schnarchte jetzt noch lauter.
    Als er mit dem Gemurmel aufgehört hatte und sie ganz sicher war, daß er schlief, stand sie leise auf und durchsuchte seine Jackentaschen. Er lag friedlich da, die Hände auf der Brust gefaltet. Sie zündete ein Streichholz an, um nachzusehen, ob seine Augen auch fest geschlossen waren. Dann schlich sie auf Zehenspitzen schnurstracks ins Badezimmer. »Gut!« murmelte Tony Bring im Schlaf. »Gut! Sollen sie ihn nur wieder
    verstecken.
    Worte, die sich nicht wegspülen lassen

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