Verrückte Zeit
zurückgesetzt und unter einer riesigen Tanne, war ein Abort. Sie ging als erste hinaus, um ihn zu benutzen; vor der Tür blieb sie stehen und betrachtete die Welt unten und ringsum. Der Nebel war auf eine einheitliche Höhe aufgestiegen, so daß die Hügel und Berge ringsum wie gekappt aussahen. Alle Hänge waren tiefgrün, und das Wasser an ihrem Fuß war genauso grün. Die Ausläufer der Hügel waren vielfarbig – violett, golden, blaßgrün. Sie drehte sich um und betrachtete die übrige Landschaft. Eine Reihe von Inseln? Eine Kette? Sie schienen sich endlos fortzusetzen, und alle waren von Wasserstraßen umgeben, manche davon breit, manche schmal; dann sah sie einen entschieden breiteren Wasserstreifen; hinter ihr schnitt ein steil aufragender Berg den Rest von der Sicht ab. Der Berg war mit gewaltigen Tannen bewachsen, mit breiten, in tiefem Schatten liegenden Lichtungen zwischen Bäumen. Am Rand der Wälder wuchsen massenweise Farn und blühendes Heidekraut, erikafarben und dunkler violett, und Besenginster in lebhaften Gelbtönen. Die Luft duftete nach Heidekraut und den Gerüchen des Meeres, frisch und sauber und betörend.
Nach dem Frühstück machten sie sich an die Erforschung ihrer kleinen Insel. Ihre Hütte lag am südwestlichen Rand, siebzig Meter über dem Meer. Sie kamen in einer Bucht mit einem winzigen Strand ans Meer, wo Corky bei seinem letzten Besuch auf der Insel ein Picknick gemacht hatte. Er deutete auf die Stelle, wo sein Lagerfeuer gebrannt hatte, wo sie Muscheln gesammelt und in Meerwasser gekocht hatten … Sie kletterten wieder bergaufwärts, auf einen spitzen, felsigen Gipfel, bewachsen mit einigen Bäumen, die genügend Erde gefunden hatten, daß ihre Samen darin aufkeimen konnten, und dann genügend Erdreich geschaffen hatten, damit ihre Wurzeln sich darin festhalten konnten. Der Gipfel war hundertfünfzig Meter höher als die Stelle, an der ihre Hütte stand, und zweihundert Meter über der schmalen Wasserstraße, die die Insel von ihrem nächsten Nachbarn im Westen trennte. Nach Süden hin lag die nächste Insel einige Kilometer entfernt. Eine Meerenge wurde immer schmaler, bis sie an der nördlichsten Stelle weniger als siebzehn Meter in der Breite maß. Das Wasser strömte durch diese Enge mit brüllendem Tosen, bei Flut ergoß es sich nach Süden, bei einsetzender Ebbe zog es sich donnernd nach Norden zurück. Von dem Bergkamm aus fiel eine Klippe aus schwarzem, verwittertem Basalt senkrecht weit über hundert Meter tief in die tobenden Fluten. Der Kanal auf der östlichen Seite war breiter und ruhiger; dunkelgrünes, glattes Wasser, über hundert Meter breit. Auf dieser Seite erstreckte sich ein langer schmaler Strand mit goldfarbenem Sand. Die anderen beiden Hütten lagen oberhalb des nördlichen Strandendes; die Bootsanlegestellen waren leer, niemand außer ihnen war auf der Insel.
Sie waren den steilen Hügel hinaufgeklettert, hatten die nördliche Küste der Insel umrundet, waren die Molen bis zum Ende hinausgelaufen und hatten in das Wasser unter ihnen geblickt, und jetzt gingen sie am Strand spazieren. Die Sonne war herausgekommen, der Himmel war blaßblau. Sie sahen die Wolkenbank, die über dem Festland im Osten hing.
»Sieh mal«, sagte Corky, »ich werde folgendes tun: Ich begebe mich zurück zur Küste und rufe die Zeitung an, nicht das FBI oder die Bullen. Ich werde erzählen, ich hätte gesehen, wie ein Mann mit roten Haaren von hier mit einem Boot weggefahren sei, in Richtung Victoria, daß er auf mich geschossen und es verdammt eilig gehabt hätte. Wenn sie kommen, dann fessele ich dich und verschwinde. Nicht fest, auch nicht so, daß es dir weh tut«, fügte er schnell hinzu. »Nur so, daß es aussieht, als hätte ich dich gekidnappt und hier ausgesetzt, damit du hier an Hunger und Auszehrung umkommst.«
Sie verstärkte den Griff um seine Hand und schüttelte den Kopf. »Kidnappen, spionieren, flüchten. Sie würden dich erschießen, sobald sie deiner ansichtig werden. Sie würden mich in ein Krankenhaus bringen, und bei einer Untersuchung würden sie herausfinden … man kann feststellen, wenn jemand vor kurzer Zeit sexuellen Kontakt hatte.«
»Erzähl ihnen, daß ich dich vergewaltigt habe.«
Sie lächelte zärtlich und senkte den Blick zum Sand. »Laß uns einen anderen Weg aus diesem Schlamassel finden. Sie würden es niemals glauben.«
Sie gingen einige Minuten lang schweigend weiter, dann sagte sie: »Du kannst dich jederzeit davonmachen, und sie
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