Verrückte Zeit
Trigger Happy. »Das werden wir tun, doch wir wollen nichts überstürzen. Sie kennen die Redewendung von der langen Leine. Das meine ich, jedenfalls solang wir sie im Blick haben.« Der FBI-Chef sah nun nicht mehr verschlossen aus. Er nickte sogar. Der silberhaarige Beamte machte ein finsteres Gesicht.
NEUNTES KAPITEL
Er schwebte dahin und träumte mit einem Krankenhauspatienten; mit einer Frau, die ein Baby säugte, schlummerte mit ihm seinen Schlummer; er ging mit den drei Jungen, als sie in ein Haus einbrachen, und er spürte ihre Angst und ihre Aufregung; er betrachtete mit den Augen seines Großvaters einen Pinienwald, in jenen Tagen, als die Bäume noch nicht in schnurgeraden Reihen gepflanzt waren. Überall, nirgends. Er schwebte. Und dann war er bei Lauren in ihren qualvollen Träumen.
Sie rannte über Sand, in dem sie steckenblieb, in den sie bis zu den Knien einsackte, der jeden ihrer Schritte zur Qual machte. Sie mußte rennen, weil sie jemand in einem grünen Auto jagte, und das Auto war auf dem Sand so wendig wie auf einer Asphaltstraße. Sie schlug Haken und lief im Zickzack. Vor ihr war Corky und winkte ihr zu. Als sie die Hand nach ihm ausstreckte, verschwand er. Sie mußte rennen, rennen, mußte den Fuß anheben, ihn vorsetzen, den anderen anheben … Und jedesmal, wenn sie meinte, nun könnte sie ihn berühren, verschwand er. Das Bild, das sie sich im Geist von ihm machte, war scharf und beinah photographisch. In ihrem Traum war er nackt.
Langsam stellte er sich in ihrer Wohnung neu zusammen, endlich hatte er in ihrem geistigen Bild einen Halt gefunden, in ihrem Verlangen, ihn im Traum mit der Hand fassen zu können. Am Anfang waren seine Teilchen so weit verstreut, daß sie die ganze Erde bedeckten; sie strömten zusammen, und er wurde dichter. Je mehr Substanz er bekam, desto kälter wurde ihm, und zum erstenmal war er unglaublich müde.
Lauren hatte den Bettüberwurf abgezogen und ihn auf einen Sessel geworfen; jetzt schleifte ihn Corky hinter sich her und wanderte durch das Apartment auf der Suche nach einem Platz, wo er sich hinlegen konnte. Schließlich streckte er sich auf der Couch im Wohnzimmer aus, rollte sich in den Bettüberwurf und schlief ein.
– Ich verstehe nicht ganz, was das alles soll. Was ist so schlimm daran, wenn er durchkommt und wieder zurückgeht? Es hat schon so viele Leute gegeben, die etwas mit zurückgenommen haben, und es hatte gar keine Bedeutung. Künstler, Wissenschaftler, Schriftsteller. Es hatte alles keine Bedeutung.
– Ja, ja, ich weiß. Ich versuche ja, mich zu beruhigen, aber dieser Fall liegt anders. Die anderen hatten nur mal einen kurzen Blick hereinwerfen können; selbst Leonardo konnte nur einen kurzen Blick hereinwerfen. Und denk nur daran, wie es ihm ergangen ist! Warst du jemals in seiner Nähe, wenn er wieder mal einen von seinen verrückten Apparaten erfunden hat? Nicht auszuhalten, einfach nicht auszuhalten! Doch selbst bei seinen begrenzten Einblicken war er in der Lage, das zu verwerten, was er gesehen hatte. Diesem hier sind keine Grenzen gesetzt, wenn er durchkommt, meine ich. Und er ist ebenfalls Künstler.
– Laß uns noch einen Moment bei Leonardo bleiben. Er hat gezeichnet, was er gesehen hat, doch keiner hat so recht begriffen, was es bedeutete. Und genau das wollte ich sagen. Dieser hier wird genausowenig verstanden werden wie alle anderen, die durchgekommen und wieder zurückgekehrt sind.
– Ich hoffe, du hast recht. Ich hoffe es wirklich. Aber sie verfügen jetzt über so wunderbare Geräte. Du hast es ja gesehen. Computer, die Skizzen analysieren und das Porträtierte dazu bringen können auszusagen, welchem Zweck es dient. Selbst das könnten wir vielleicht noch hinnehmen, ich meine, wenn das zur Steigerung des Wissensstands und zur sinnvollen Verwertung führt. Aber was sich in diesem Schattenbereich abspielt, das können wir nicht hinnehmen. Ich bin überzeugt, das bedeutet einen Bruch in der Zeit, eine Verzweigung, eine Gabelung, wie immer du es nennen willst.
– Eine Verzweigung? Bestimmt nicht. Du liebe Güte, ich hoffe, du hast unrecht. Laß mich mal darüber nachdenken. Eine Verzweigung?
– Oh, vergiß diese Phantastereien! Er irrt sich gewaltig. Eine Diskontinuität, das vielleicht, aber nicht die Verzweigung zu einer abweichenden Zeitlinie. Wirklich!
– Eine Diskontinuität ist noch viel schlimmer, weißt du. Eine Diskontinuität kann nicht überbrückt werden.
– Aber es kann nicht zwei
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