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Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Wilhelm
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einige Tage, längere Zeitspannen, von denen nichts in seinem Gedächtnis haften geblieben war, und wenn er wieder zerfloß, vielleicht würde er dann das nächstemal im Jenseits bleiben. Sie würde zu dem Schluß kommen, daß ihre Halluzinationen aufgehört hätten, daß sie geheilt wäre, und es würde nicht lange dauern, bis sie in Morris Pitts’ Bett landen würde. Und Morris Pitts war ein Schwein, schlimmer als ein Schlangengiftverkäufer. Von dem bekamen die Opfer wenigstens etwas; Pitts würde nur nehmen und nehmen, und wie würde sie sich dann fühlen, wenn er sie ausgewrungen hätte und sie sitzen ließe? Corky vermutete, daß er es ihr im Bett sehr schön machen würde, besonders jetzt, da sie selbst ihren Zaubermuskel entdeckt hatte. Vielleicht würden sie sie sogar für die eine oder andere dreckige Sache einspannen, dachte er aufgebracht; Musselman war überzeugt davon, daß sie zu einem Spionagering gehörte. Musselman war des unerschütterlichen Glaubens, daß jedes Mittel zu dem Zweck, welchen auch immer er verfolgen mochte, gerechtfertigt war.
    Und woher, zum Teufel, wußte er das nun wieder? Er schüttelte den Kopf und wußte gleichzeitig, daß es stimmte. Dann gestand er sich ein, daß alles das, was ihm durch den Kopf gegangen war, zwar gestimmt hatte, daß er jedoch den wahren Grund, warum er bei Lauren bleiben mußte, noch nicht klar umrissen hatte. Zum erstenmal in seinem Leben gab es jemanden, von dem er nicht weggehen konnte.
    Sein ganzes Leben hatte bisher nur aus ständigem Weiterziehen bestanden – Kindheit, Pubertät, Collegezeit, bis vor einer Woche. Weiterzuziehen schien die einzig mögliche Art des Lebens zu sein. Wie ein Soldatenkind, dachte er. Churchill Downs war im Frühling sein Zuhause gewesen. Dann Belmont. Hialeah war es im Winter, und immer so weiter. Als Joanna für ihn dieses Gespräch in L.A. arrangiert hatte, war er bereit gewesen, wieder weiterzuziehen. Er wäre hingegangen, hätte versucht, den Job zu bekommen, und falls er ihn bekommen hätte, wäre er nur noch einmal zurückgekommen, um seine Wohnung auszuräumen, dann wäre er wieder weitergezogen. Ihm war es immer ziemlich egal gewesen, wo er lebte; er war dabei, sich gute Figuren für einen Comicstrip auszudenken, mit dem er sich anbieten wollte. Hier in Kalifornien, als er mit Joanna allein war, war alles egal gewesen. Weiterziehen. Und jetzt blieb er so nah wie nur möglich an einem Ort, um Lauren aus dem Schlamassel herauszuhelfen, in den er sie gebracht hatte. Und dann würden sie weitersehen. Es mußte einen Weg geben, sie davon zu überzeugen, daß er wirklich existierte und keine Halluzination, nicht tot war.
    Sogar darin lag eine Gefahr, wie ihm klar wurde. Sie hatte vollkommen recht, er paßte absolut nicht zu ihr – er war zu klein, sah ulkig aus, hatte abscheuliche Haare, Augen wie eine Puppe, seine Zukunft sah düster aus, er war unwissend und ungebildet und ständig pleite. Ihr gebührte ein Prinz, ein Typ, der sie jeden Tag auf Händen tragen konnte, während er, Corky, sie an guten Tagen vielleicht ein paar Meter weit schleppen könnte. Aber all das war unerheblich, sagte er sich und wünschte, er könnte es glauben.
    Er nagte wieder an seiner Lippe herum und fragte sich, ob er wirklich tot war und ob so der Tod für jemanden war, der sich einfach nicht vom Leben verabschieden wollte.
     
    Um acht Uhr dreißig am nächsten Morgen studierte Trigger Happy mit finsterem Gesicht die Karte der Insel Whidbey. Nur einen Katzensprung von Kanada entfernt, und diese Barbaren dort waren auch nicht viel besser als die Kommunisten, mit ihrem sozialistischen Gesundheitswesen, so fing es immer an. Endlich arbeitete er mit Männern zusammen, denen er trauen konnte, Männern, die er selbst ausgesucht hatte, und sie waren unterwegs nach Whidbey. Die Staatspolizei und ein höherer Beamter der Bundespolizei waren das einzige, was ihn von seinem vernichtenden Schlag trennte. Er hatte ihnen befohlen, ihr verdammt noch mal nicht zu dicht auf die Pelle zu rücken, es sei denn, sie begab sich in die Nähe irgendeines Schiffs. Oder es sei denn, sie nähme Kontakt zu irgend jemandem von einem Schiff auf. Nur beobachten, hatte er mürrisch gesagt, und verliert sie um Himmels willen nicht aus den Augen!
    Es war schlau von ihr, daß sie so tat, als ob sie nicht auf der Flucht wäre, indem sie überall ihre Kreditkarten benutzte, ihr echtes Autokennzeichen angab und all so etwas. Schlau! Er konnte schlaue Mädchen nicht leiden.

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