Verschärftes Verhör
zwei dumpfe Laute, als sie ihre Clogs abstreifte.
Harry ging ihr entgegen. »Wie war der Kurs?«
Sie besuchte einen Töpferkurs im Gemeindezentrum. Ihre Kleider waren von Flecken und Spritzern übersät.
Char blieb mitten im Wohnzimmer stehen. »Was ist los?«
»Ich muss für eine Weile weg.«
Sie schaute ihn an, trat auf ihn zu und umarmte ihn. Sie roch nach Töpferkurs, ein angenehmer Geruch von getrocknetem Ton und dem Feuer des Brennofens.
»Es gibt Dinge, die du wissen solltest«, setzte er an. »Ich möchte, dass du sie verstehst.«
Char schüttelte den Kopf und legte den Finger an seine Lippen. »Du bist ein guter Mensch, Harry Comfort.«
Ihren Segen gab sie ihm nicht. Sie hatte ihm deutlich gezeigt, dass sie seine Beichte nicht hören wollte. Dennoch lag in ihren Worten eine Art Billigung. Sie gestand ihm zu, dass es Erlösung für ihn geben konnte, sofern er sich darum bemühte. Dass es für sie alle Erlösung geben konnte.
Sie legte den Kopf an seine Brust, und Harry war dankbar und erleichtert, dass er ihr nicht in die Augen sehen musste.
21
Afghanistan 2002
Nach ihren langjährigen Erfahrungen mit der schwerfälligen Militärbürokratie hatte Kat angenommen, die geplante Übergabe Jamals werde erst in einigen Monaten stattfinden. Wenn sie nicht gerade von ihrem schlechten Gewissen überwältigt wurde, lenkte sie sich mit den vielen kleinen Problemen ab, mit denen sie sich in Afghanistan herumschlagen musste. Bereits in Kandahar hatte sie Tampons bestellt und wiederholt nachgefragt, ohne sie jemals zu erhalten. Dann wieder waren es die Heizöfen, die sie in jenem ersten Winter so dringend für die Verhörkabinen benötigten und die volle sechs Wochen im Lager von K-2 herumstanden, bis irgendein Sergeant die nötige Unterschrift leistete und sie nach Süden schickte.
Sicherlich würde man in ein lebendes menschliches Wesen ebenso viel Zeit und bürokratische Energie investieren wie in eine Schachtel Hygieneprodukte oder ein Elektrogerät. Gewiss würde bis dahin etwas geschehen, das das Schicksal des Jungen in andere Bahnen lenkte, irgendein Zufall, mit dem niemand gerechnet hatte. Immerhin befanden sie sich im Krieg, und niemand konnte wissen, was als Nächstes geschehen würde.
Daher war Kat völlig konsterniert, als Kurtz keine zwei Wochen nach ihrer ersten Begegnung erschien und ankündigte, Jamal werde am kommenden Morgen den Stützpunkt verlassen. Kat hatte sich seit seiner Ankunft fast nur mit dem Jungen beschäftigt, und es war eine Beziehung zwischen ihnen entstanden. Sicher, es war die Beziehung eines Wärters zu seinem Gefangenen, darüber machte sie sich keine Illusionen, aber sie war nicht darauf vorbereitet, dass diese Beziehung so bald zu Ende gehen sollte.
Sie half nach wie vor in der Aufnahmestation und den Verhörkabinen, war aber meist mit Jamal zusammen und bereitete ihn so gut wie möglich auf seine bevorstehende Aufgabe vor. Sie versuchte, sein Vertrauen in sie zu stärken. Er hatte nicht gefragt, wann er den Stützpunkt verlassen würde, und Kat, die lieber gar nicht daran dachte, hatte nur zu gern geschwiegen.
»Hast du es Jamal schon gesagt?«, erkundigte sie sich und blickte von ihrem Bericht auf.
Kurtz schüttelte den Kopf. »Ich dachte, du könntest es ihm heute beim Abendessen sagen. Bei dieser Gelegenheit könntest du dich von ihm verabschieden.«
»Er wird wissen wollen, wohin er geht.«
»Die brauchen ihn in Madrid«, erklärte Kurtz. Die, als hätte er selbst nichts damit zu tun. »Ich kann veranlassen, dass etwas Besonderes aus dem Kasino gebracht wird. Irgendwelche Wünsche?«
Kat überlegte kurz und schüttelte den Kopf. Es wäre ihr wie eine Henkersmahlzeit vorgekommen.
Als sie jedoch am Abend in Jamals Zelle trat, bedauerte sie, dass sie Kurtz die Entscheidung überlassen hatte. Er hatte ihnen zwei Portionen Salisbury-Steak bringen lassen, das am wenigsten appetitliche Angebot im Kasino. Dazu gab es Kartoffelpüree aus der Tüte, graugrüne Bohnen aus der Dose und Wackelpudding.
Kat versuchte, eine gewisse Begeisterung zu zeigen, als sie sich vor die Holzkiste setzte, die Jamal als Tisch diente.
»Soldat Boyd bringt heute Abend seine Playstation mit in den Aufenthaltsraum«, verkündete Jamal aufgeregt. »Darf ich hingehen?«
Kat nickte. »Ja, aber erst nach dem Essen.« Jamal hatte sich in der Einrichtung zu einer Art Maskottchen entwickelt, und einige der jüngeren Militärpolizisten wie Boyd behandelten ihn wie einen fügsamen kleinen Bruder.
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