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Verschärftes Verhör

Verschärftes Verhör

Titel: Verschärftes Verhör Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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befand sich eine riesige Grillgrube, über der ein paar unternehmungslustige Soldaten eine ganze Ziege an einem automatischen Spieß brieten. Wie alle Tiere, die Kat in Afghanistan gesehen hatte, war auch dies ein mageres, erbärmliches Geschöpf. Der Kopf baumelte lose vom halb durchtrennten Hals, und die Flammen spiegelten sich in den traurigen Augen.
    Die Männer blickten interessiert auf, versuchten aber nicht, Kat aufzuhalten. Kinder, dachte sie. Manche jünger als ihr Bruder, noch ohne richtigen Bartwuchs. Ganz gewiss würde keiner von ihnen einer Frau in Zivil sagen, wo sie sich aufzuhalten hatte. Stattdessen rammte einer der toten Ziege den Lauf seines M4-Karabiners in den Hintern und vollführte sexuelle Bewegungen. Die anderen lachten flegelhaft.
    Kat blieb im rauchigen Lichtschein des Grillplatzes stehen und sprach den Soldaten an, der den Analsex nachgeahmt hatte. »Ich suche das britische Team«, sagte sie.
    Der Mann zuckte mit den Schultern – Fremde waren hier offenkundig nicht willkommen –, schürzte die Lippen und spuckte ins Feuer. »Die haben ein paar Zelte hinter dem Kasino«, sagte er unverhohlen feindselig und deutete auf ein langgestrecktes, niedriges Gebäude.
    Kat ging hinüber, wobei sie den Blick des Rangers im Rücken spürte. In Viper City hatten die Soldaten ihre Zelte mit Annehmlichkeiten wie Minikühlschränken, Laptops und Familienfotos ausgestattet, doch diese Unterkünfte waren äußerst bescheiden. Sie wurden nur vorübergehend genutzt, wenn Angehörige der Spezialkräfte nach Bagram kamen, um Vorräte zu besorgen oder Gefangene abzuliefern.
    Vorübergehend, das passte auch auf ihre Beziehung zu Colin, dachte Kat mit einem Blick auf Zelte und Toilettenkabinen. Sie war wütend auf sich, weil sie ihrer Phantasie freien Lauf gelassen und sich eingeredet hatte, für sie und Colin gäbe es keine Grenzen. Sie erreichte das dunkle Kasinogebäude und hielt inne, wollte schon kehrtmachen, weil ihr vor Kälte die Zähne klapperten. Prüfend betrachtete sie die letzten Zeltreihen. Jenseits des Zaunes schimmerte das rostige Wrack einer alten MIG in der Nachtbeleuchtung.
    Plötzlich hörte sie hinter sich ein Geräusch, Stiefel, die auf dem unebenen Boden knirschten. Kat drehte sich um und sah Colin um die Ecke des Kasinogebäudes biegen.
    »Kat?« Es klang überrascht, aber auch gereizt. »Was machst du denn hier?«
    »Tut mir leid. Ich hätte nicht kommen sollen.«
    Colin blieb stehen. Er schwieg.
    »Morgen früh bringen sie Jamal weg«, sagte sie.
    »Oh.« Er nickte zerstreut und schaute an ihr vorbei zum Tor.
    Er wartet auf jemanden, dachte Kat und fürchtete einen Moment lang, er habe eine Affäre mit einer anderen Frau. »Oh?«, fragte sie dann wütend. »Mehr fällt dir nicht dazu ein?«
    »Was soll ich denn sagen? Du hast genau gewusst, worauf du dich einlässt. Du hast dich entschieden, und jetzt musst du damit leben.«
    »Es war richtig so«, erwiderte sie und fühlte sich plötzlich in der Defensive. »Wir konnten ihn kaum dorthin schicken, woher er gekommen ist.«
    »Nein, das konntest du nicht«, stimmte Colin mit jener Nüchternheit zu, die ihr am ersten Abend in Oman so gut gefallen hatte. Es war unfair, ihm diese Haltung jetzt vorzuwerfen, doch sie konnte nicht anders. »Immerhin habe ich nicht sein Blut an meinen Händen«, sagte sie. Der Tod des Iraners hatte Colin sichtlich erschüttert, und Kat wusste genau, wie sehr ihn die Bemerkung treffen würde.
    Er schoss vor, packte sie. »Du verstehst überhaupt nicht, was hier draußen passiert, oder? Du verstehst gar nichts.« Trotz seines Zorns blieb er erschreckend ruhig. Seine Hand umschloss ganz fest ihr Handgelenk. Er verstand sich darauf, größtmöglichen Schmerz zuzufügen, ohne den Knochen zu brechen.
    »Du tust mir weh«, sagte sie und zwang sich, ruhig zu sprechen.
    »Ein kleiner Streit unter Liebenden?«, fragte eine Stimme hinter ihr.
    Colin ließ los, und Kat schoss herum. Kurtz kam mit selbstzufriedener Miene auf sie zu. Er freut sich, uns so zu sehen, dachte sie.
    Colin wich zurück. »Sie wollte gerade gehen.«
    Plötzlich begriff sie, dass er auf Kurtz gewartet hatte. »Ja«, sagte sie, ohne die Situation zu durchschauen. Sie hatte keine Ahnung, was Kurtz wollte, und sah zu Colin hinüber, der ihrem Blick auswich. »Ich sollte wohl besser gehen.«
Marokko
    »Sieht aus, als müssten wir eine Weile hierbleiben«, bemerkte Kat, als Kurtz mit dem gemieteten Peugeot von der Autobahn auf den Parkplatz einer

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