Verschärftes Verhör
lächelte betont freundlich. »As-salam, alaikum«, begrüßte sie ihn. Die Worte fühlten sich gut an, klangvoll und stark. Sie liebte die Sprache noch immer.
Das Gesicht des Mannes verzog sich zu einem schwachen, anerkennenden Grinsen. »Wa alaikum as-salam«, antwortete er. Und auch mit dir.
Kat erkundigte sich nach der Toilette, worauf er knurrend auf eine angelehnte Tür weiter hinten deutete.
Die Räumlichkeiten befanden sich in einem kleinen Anbau hinter der Tankstelle. Nach westlichem Standard waren sie primitiv, aber sauber und funktionell, wofür Kat sehr dankbar war. Beim Gehen bemerkte sie ein altes Münztelefon an der hinteren Mauer.
»Funktioniert das Telefon dahinten?«, fragte sie den alten Mann, der zu ihrem Erstaunen eifrig nickte.
Sie hatte nur Euro bei sich. Allerdings lag die Tankstelle an einer Hauptstraße, die von Tanger nach Süden führte. Vielleicht würde sie passendes Wechselgeld bekommen. Kat schaute sich in dem überfüllten Laden um, betrachtete die staubigen Dosen mit Motoröl und die Gebetsschnüre aus Plastik, die leuchtenden Packungen mit Lutschern und Schokoriegeln. Auf einem Regal neben der Kasse entdeckte sie einen Stapel bunter Kopftücher.
Sie schaute aus dem Fenster, um zu sehen, ob Kurtz noch im Wagen saß, und deutete dann auf die Tücher. »Ich hätte gern das blaue, bitte.« Es konnte nicht schaden, eins zu haben. Kat holte einen Zwanzigeuroschein aus der Tasche und hielt ihn dem alten Mann hin. »Ich habe leider nichts anderes.«
»Ist gut, ist gut«, erwiderte er, gab ihr das Kopftuch und eine Telefonkarte mit siebzig Einheiten, für die er nur zu gern den Zwanzigeuroschein entgegennahm. Dann vollführte er eine kurze Pantomime, um ihr zu zeigen, sie solle das Kopftuch anlegen.
Zu seiner großen Freude gehorchte sie und verließ die Tankstelle durch die Hintertür.
Jetzt muss es schnell gehen, dachte Kat. Der Toilettenbesuch sollte glaubhaft bleiben. Sie behielt die Tür im Auge, während sie die Karte in den Schlitz schob, den Hörer abnahm und die Nummer von Colins Bauernhof wählte.
Es klingelte zweimal. Dreimal. Viermal. Das monotone britische Doppeltuten.
»Hallo?«, meldete sich eine unbekannte Stimme. Männlich, in mittlerem Alter.
»Hallo, hier ist Kat Caldwell. Ich möchte gern mit Stuart Kelso sprechen.«
Schweigen.
»Ich war mit Colin befreundet.«
Immer noch Schweigen. Vielleicht hatte sie sich verwählt. Dann endlich reagierte der Mann.
»Ich bin Donald Mitchell, Kat.«
Sie war ihm nie begegnet, hatte aber ein Bild von ihm im Kopf: ein älteres, leicht verwittertes Ebenbild von Colin. Althippies, hatte Colin einmal über seine Eltern gesagt. Sie wissen nicht, was sie von mir halten sollen. Kat fragte sich, was sie wohl von ihr gehalten hätten.
»Es tut mir leid, Mr Mitchell …« Sie zögerte, suchte nach Worten. Ihr war klar, dass jede Bemerkung banal klingen würde. »Verzeihung, wenn ich Sie störe. Stuart sagte, ich könnte ihn bei Ihnen erreichen.«
»Stuart ist tot, Kat.« Einfach so.
»Wie bitte?«
»Man hat ihn gestern Abend in einer Sozialwohnung in Portsmouth gefunden. Anscheinend war er in schlechte Gesellschaft geraten.« Er schien erleichtert, über etwas anderes als den Tod seines Sohnes sprechen zu können.
Kat war durcheinander. »Das verstehe ich nicht.«
»Wohl irgendein Typ, den er in der Stadt aufgegabelt hatte, heißt es. Anscheinend gibt es da viele von der Sorte.«
Damit wollte ihr zu verstehen geben, dass Stuart schwul gewesen und von einem anderen Mann getötet worden war.
»Jetzt werden es alle erfahren«, fuhr er fort. »Natürlich musste er bei seinem Job vorsichtig sein. Ich kann nicht behaupten, dass wir noch nie daran gedacht hätten. Es ist ein gefährliches Geschäft, diese ganze Geheimhaltung.«
»Ja, es ist schrecklich.« Sie hätte gerne noch mehr gesagt, dachte aber an Kurtz und das dahinschmelzende Guthaben auf ihrer Telefonkarte. »Ich rufe wegen Colin an, Mr Mitchell. Wegen Ihrer Pläne.«
Seine Stimme veränderte sich hörbar. »Angesichts dessen, was passiert ist, haben wir noch nichts geplant. Auch wurde die Leiche noch nicht freigegeben. Er wäre gern in den Bergen gewesen, also werden wir es dort oben machen. Aber nichts Offizielles.« Er hielt inne, um sich zu fassen. »Sie sind uns jederzeit willkommen. Es wäre in Colins Sinn. Er hat Sie sehr gemocht. Aber das wissen Sie sicher.«
Die Bemerkung erwischte sie eiskalt. Kat fing an zu weinen.
Dann hörte sie in der Tankstelle eine
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