Verscharrt: Thriller (German Edition)
überwältigend, und als sich O’Hara zum Küchenfenster umdreht, sieht sie die Flammen eines Gaskochers über den schwarzen Boden eines gusseisernen Topfes züngeln. Henderson, der auf einer Strandliege sitzt und durch eine schwarze Plastikbrille die Post anstarrt, ist dem Wetter entsprechend gekleidet. Er trägt ein Männerunterhemd und Boxershorts, seine bleichen, krummen Beine stecken in engen schwarzen Socken und Schnürschuhen. Wenigstens hat er sein Ding eingepackt. Dafür, dass er nicht mal so alt ist wie die Rolling Stones, wirkt er ganz schön senil. Er sieht eher aus wie achtzig, aber nach fünfundvierzig Jahren Heroinabhängigkeit ist das wohl auch kein Wunder.
» Gus, ich heiße Darlene O’Hara. Ich bin Detective beim NYPD . «
» Gratuliere. «
» Paulette war neulich bei mir. «
» Paulette? «
» Gus, ich bin Paulette « , sagt Williamson, die einen Meter von ihm entfernt sitzt.
Gus lächelt O’Hara an. » Die schicken manchmal echt nette Mädchen « , sagt er. » Man muss natürlich höllisch aufpassen, sonst klauen sie einem noch das letzte Hemd. Besonders die Farbigen. « Dann geflüstert: » Ich hatte mal über zwanzig Autos, wissen Sie. «
» Alle weg? « , fragt O’Hara.
Gus nickt traurig. » Jedes Einzelne. «
» Aber Sie glauben doch nicht, dass Paulette sie geklaut hat? «
» Drei Caddies hat sie in ihrer Muschi versteckt. « Wow, eine Muschi, in der drei Autos Platz haben, denkt O’Hara, wie in derVorstadtvilla eines Neureichen. » Haben Sie Hunger? « , fragt Henderson. » Wir haben Eintopf. «
» Ich habe gerade gegessen, Gus, danke. Darf ich mich setzen? «
» Tun Sie sich keinen Zwang an. «
» Gus, Paulette hat mir gesagt, Sie wollten über etwas sprechen, das vor langer Zeit im Garten um die Ecke passiert ist. «
» Wozu? «
» Reden kann helfen. Reden Sie’s sich von der Seele, dann fühlen Sie sich viel besser. «
» Mir geht’s gut. «
» Sie haben Paulette erzählt, Sie hätten einen Mann im Streit erstochen, und ihr vor zwei Tagen die Stelle gezeigt, wo Sie ihn unter einem großen Baum vergraben haben. «
» Paulette ist ein nettes Mädchen, aber ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. «
In Hendersons stickigem Apartment mit seinen unergründlichen alternativen Realitäten und dem Gestank, der nicht allein von dem herrührt, was dort im Topf brodelt, kommt sich O’Hara weniger wie ein Detective, denn wie eine Sozialarbeiterin vor, die sich ein Bild vom Geisteszustand ihres Schutzbefohlenen zu machen versucht. Gus’ Gehirn scheint größtenteils Geschichte zu sein, aber ein bisschen was ist doch noch übrig, ebenso wie eine ordentliche Portion Verschlagenheit. Obwohl er es jetzt leugnet, behauptet Paulette, er habe bei zwei unterschiedlichen Gelegenheiten im Abstand von zwei Wochen über den Mord gesprochen. Vielleicht hat seine aktuelle Umnebelung nichts mit Alzheimer zu tun, sondern vielmehr mit dem Umstand, dass O’Hara von der Mordkommission kommt, womit sein Verhalten alles andere als senil wäre. O’Hara hat das Gefühl, in einen Kaninchenbau gesprungen zu sein.
» Darf ich mir ein Glas Wasser nehmen, Gus? «
» Tun Sie sich keinen Zwang an. « O’Hara geht zur Spüle, wäscht ein Glas aus und lässt es unter dem Hahn volllaufen. Sie kann die Hitze des Topfes an ihrem Arm spüren, hat aber keinerleiVerlangen, einen Blick hinein zu riskieren.
O’Hara nimmt ihr Wasser und versucht es noch einmal.
» Hübsche Wohnung, Gus. Wie lange haben Sie die schon? «
» Dreißig Jahre. Hab den Mietvertrag von meiner Mom geerbt. Wollen Sie wissen, was ich zahle? «
» Wahrscheinlich nicht. «
» Achtundsiebzig Dollar im Monat. « Vielleicht ist Paulette ja darauf scharf, das muss die billigste Wohnung in ganz Manhattan sein.
» Der Typ oben zahlt zweitausendfünfhundert. «
» Gus, wollen Sie sagen, dass Sie sich nicht mehr an Ihren Streit mit dem großen schwarzen Mann im Garten erinnern? Paulette meinte, Sie hätten eine heftige Auseinandersetzung mit ihm gehabt. Er sei sehr viel größer gewesen als Sie, und Sie hätten ihn erstochen. «
» Paulette? «
O’Hara denkt an das, was sich vor zwei Tagen bei Rocco’s ereignet hat, und dass es oft der Kleinere ist, der das Messer zieht. » Was lesen Sie da, Gus? « , fragt sie und deutet auf die Post.
» Über unser Arschloch von einem Präsidenten. «
» Finden Sie ihn schlimmer als seinen Vater? «
» Ich weiß nur, dass er nicht mehr so aussieht wie in den Filmen. «
» Wer ist denn Ihrer
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