Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
eineinhalb Tage Klausur des »Führungsteams« des »Magazins«. Ich weiß gar nicht, ob ich da dazugehören will. Völlig unnötiger Aufenthalt in einem Fünfsternethermenhotel, die ganze Zeit über laufen durchschaubare gruppendynamische Spielchen. Wir kennen einander ohnehin zur Genüge. Und so viel lässt sich an den Mustern in der alltäglichen Zusammenarbeit auch nicht ändern. Der ich weiß nicht wievielte Relaunch des »Magazins« wird von zwei Typen betreut, deren Firma »Betriebsanalysen und Kommunikationsstrategien« verkauft. Was heute so alles Geld bringen kann. Der eine ist Mitte zwanzig, hat »bereits zwei Studien abgeschlossen« und tut so, als wüsste er alles. Der andere ist rund zehn Jahre älter, lehnt sich die meiste Zeit bloß zurück und erklärt dann Dinge, die ohnehin alle wissen.
»Moderne Hochstapler«, sage ich zu Droch.
»Du magst sie nur nicht, weil sie jünger sind«, erwidert er und gleitet dann wieder in seinen genialen Zustand der anwesenden Abwesenheit hinüber. Am meisten Zeit frisst die Diskussion darüber, ob das »Magazin« in Hinkunft »magazin« heißen soll. Der Kleinbuchstabe stehe für Modernität, meint der Mittzwanziger. Ich schlage vor, es dann doch gleich »mag.azin« zu nennen, gäbe doch einen zusätzlichen akademischen Touch, der unserem Blatt, das gemeinhin eher als etwas seicht gilt, nicht schaden könne. Bei gewissen Zielgruppen jedenfalls. Das verwirrt ihn einigermaßen, aber bevor er zu einem längeren Exkurs über diesen »interessanten Diskussionsbeitrag« ansetzen kann, stoppt ihn der Chefredakteur.
»Sie meint das nicht ernst«, sagt er.
Manchmal unterschätze ich ihn.
Unsere Reportage über den Fitnessboom wird Blatt-Aufmacher. Auf der Titelseite des »Magazins« prangt der schwitzende Muskelberg. Auf der Klausur hatten wir uns übrigens auf »magazin« geeinigt. Dem Herausgeber und seinen Geldgebern war jedoch »Magazin« lieber. Jedenfalls: ein Superfoto. Und der Text eine Mischung aus Information, den obligatorischen Promi-Statements und ein klein wenig Verarschung der Wellness-, Gesundheits- und Sportszene. Ein Gutes hat mein Halbjahresticket für das get.moving: Jedem, der sagt, ich sei eben eine militante Fitnessgegnerin, kann ich etwas entgegenhalten.
Ich soll einer Praktikantin bei ihrer Reportage über Millionäre unter dreißig helfen. Auch das ist bei unserer Klausur festgelegt worden: »Direct Mentoring« wird es genannt, als ob wir bisher Neulinge im Regen hätten stehen lassen. Eigentlich sollte ich es ja inzwischen besser wissen, dennoch bin ich verwundert, dass sich die ach so erfolgreichen Geschäftsleute, Erben und Ideenakrobaten ohne jeden Widerspruch, eingekleidet von einer Billigtextilkette – ganz zufällig einem unserer größten Anzeigenkunden –, ablichten lassen. Beinahe rührend, wie acht Männer und zwei Frauen versuchen, wie Models zu wirken. Etwas peinlich, dass es nicht allen gelingt.
Auf dem Weg zum Grafiker des »Magazins« treffe ich Gerda. Sieht nicht so aus, also ob sie der Chefredakteur in der Zwischenzeit hinausgeworfen hätte. Dabei wird mir bewusst, dass ich nicht einmal weiß, ob sie angestellt ist oder nur einen freien Vertrag hat.
»Du musst Oskar ganz herzlich von mir danken«, flüstert sie mir zu, »diese Anwältin macht einen sehr guten Eindruck, wirklich. Kompetent, obwohl sie so jung und schick ist.«
Heilige Vorurteile – abgesehen davon, dass ich das mit dem »jung und schick« gar nicht hören will.
»Sie hat allerdings bestätigt, was Oskar schon gesagt hat: Beweise für ein außereheliches Verhältnis sind ein verdammt guter Scheidungsgrund. Sie meint, ich hätte besser aufpassen sollen.«
Ausgerechnet. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich sie durch einen dummen Zufall mit Oskar in seinem Hotelappartement in Frankfurt ertappt habe. Schnee von gestern, vergiss es, Mira.
»Und sie hat mir geraten, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen. Jetzt haben wir die absurde Situation, dass wir uns beinahe darum streiten, wer ihnen Mittagessen kocht. Dabei war Claudia in den letzten Wochen ohnehin ständig bei ihrem Freund, und Philipp reißt sich auch nicht gerade um gemeinsames Essen. Früher hätte Helmut Claudia einfach befohlen heimzukommen, aber nun traut er sich nicht, er will sie ja nicht gegen sich aufbringen.« Sie seufzt. »Eigentlich ein total unwürdiges Schauspiel, ich will da nicht mittun.«
»Und gibt es schon einen Scheidungstermin?«
»Nein, momentan gibt es erst
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