Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
…?«
»Der hat noch keine Ahnung, aber er freut sich sicher.«
»Freuen über so einen Cut?« Droch sieht mich entgeistert an.
So kann man aneinander vorbeireden. »Ich hab gemeint, er freut sich sicher über dich als Trauzeugen. Ja?«
»Nur wenn du mir erzählst, wie es zu diesem Ding auf deinem Gesicht gekommen ist – und alles andere, was ich in diesem Zusammenhang noch nicht weiß.«
Und da ich finde, das kann sich nicht auf Bruno und meine Beinahe-Verirrung beziehen, erzähle ich und fange mit den Drohbriefen an.
[ 11 ]
Die nächsten Tage ist Vesna so etwas wie mein Bodyguard. Oskar besteht darauf, und mir ist es auch ganz recht. Seine Mutter hat eine furchtbare Idee: Ich soll bei der Hochzeit einen Hut mit Tüllschleier aufsetzen, damit niemand meine Blessur sieht. Ich habe sie per Zufall bei Oskar in der Kanzlei getroffen. Sie hat mich angestarrt, als wäre ich eine amtsbekannte Schlägerin und nicht das Opfer, das zwei auf den Kopf bekommen hat. Aber sie hat nichts Einschlägiges gesagt. Zumindest zu mir nicht. Und Oskar weiß ja, worauf er sich mit mir einlässt. Hoffentlich.
Mein anonymer Verfolger meldet sich nur noch einmal, und zwar telefonisch. Mit extrem verstellter Stimme sagt jemand: »Lass die Sache in Ruhe, sonst erlebst du die Hochzeit nicht.« Ich glaube, die Stimme wurde elektronisch verändert. Es war nicht einmal zu erkennen, ob eine Frau oder ein Mann geredet hat. Ich habe Zuckerbrot informiert, aber das Telefonat war zu kurz, man konnte den Anrufer nicht ermitteln.
Ich könnte immer noch ganz gut ohne Hochzeit leben. Aber ich gebe zu, zumindest die Vorbereitung des Büffets macht mir Freude. Ich treffe mich mit Manninger in seinem Lokal im Weinviertel, wir sitzen an einem der sorgfältig restaurierten Holztische im Schankraum, besprechen Gericht für Gericht.
»Dass du einmal heiratest, hätte ich mir auch nicht gedacht«, sagt er zwischen seinem Rezept für ein Wildkarpfentartar und meinem Rezept für ein Paradeiserbrot. Ich lächle und ich bestehe darauf, einige Speisen selbst zuzubereiten. Schließlich will ich auch gelobt werden. Eigentlich traue ich mir etwas viel zu, immerhin ist Manninger einer der heimischen Kochstars, ob ich da mithalten kann? Ach was, darum geht es doch gar nicht. Kochen macht mir Spaß. Ich mache die Dinge eben auf meine Art. Und damals in seiner Küche, da hat mir Billy Winter einiges beigebracht …
Von Manningers »Apfelbaum« zu Eva Berthold in Treberndorf ist es nicht weit. Die Winzerin ist wie meist in Eile, verspricht, den Wein pünktlich zum Hochzeitsbüffet zu liefern, will sich den, den ich heute für mich daheim – für uns daheim – mitnehme, nicht zahlen lassen. »Dann gib das Geld deiner Tochter«, sage ich und lege einen Hunderter auf den großen Küchentisch. Ist ohnehin deutlich weniger, als sie sonst dafür bekäme. Als ich mit einer Menge Wein im Kofferraum zurück Richtung Wien kurve, senkt sich über die Hügel die Dämmerung. Ich habe die Fenster offen, fahre langsam und nehme Nebenstraßen. Ich rieche das üppige Grün, spüre die Wärme, die der Boden tagsüber gespeichert hat, in den Weingärten färben sich die Trauben schon rot. Vielleicht sollten wir uns doch in dieser Gegend ein Haus kaufen, überlege ich.
Aber ich meine es nicht ernst. Seit dem letzten Jahr weiß ich, dass das Landleben auf Dauer nichts ist für mich. Nicht nur weil in der Stadt niemand beim Joggen von einem Hochstand aus erschossen werden kann.
Nun bin ich endlich unterwegs, um mir ein Hochzeitskostüm zu kaufen. Oskar hat keine Zeit, aber Vesna soll mich als Kindermädchen und Shoppingassistenz begleiten. Ich trabe durch die Kärntner Straße, Vesna wartet am Stock-im-Eisen-Platz, der ist wie immer so mit Touristen überfüllt, dass ich sie nicht sehe. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen. Das Mobiltelefon läutet. Gerda. In den letzten Tagen hat es kaum Neuigkeiten gegeben. Dr. Weißgerber und sie haben eine sehr nette junge Ärztin gefunden, die jetzt in der Praxis mitarbeitet.
»Es gibt eine Lebensversicherung«, sagt Gerda anstelle einer Begrüßung am Telefon.
Ich kratze an meiner Narbe auf der Wange herum, das sollte ich nicht tun. Rundum hat sich inzwischen alles dunkellila bis hagelgelb verfärbt.
»Er hat sie seltsamerweise weder bei seinen Versicherungsunterlagen gehabt – da haben wir ja gleich alles durchgesehen – noch bei seinem Notar.«
»Wer ist begünstigt?«
Sie hustet. »Ich. Eine halbe Million Euro.«
»Und du hast
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