Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
jetzt dafür auch noch rechtfertigen? Sorry, ich hab dich geküsst, obwohl ich bald heirate. Klingt wie ein Schnulzentitel. Ich bin wirklich froh, dass ich rechtzeitig die Kurve gekratzt habe. Egal, wie er das interpretiert.
Er räuspert sich. »Hat er von uns erfahren? Äh, schlägt er dich eigentlich?«
Zuerst verstehe ich nicht, dann muss ich trotz meines Cuts auf der Wange lachen, ich lache, bis mir die Tränen die Wange herunterrinnen, es tut weh, aber es tut auch enorm gut. »Oskar?«, keuche ich. »Oskar? Mich schlagen? Und was gibt es über ›uns‹ zu erfahren?«
»Jetzt lachst du mich auch noch aus, dabei ist Gewalt …«
Ich kann nicht anders, ich muss immer noch lachen: »Weiß ich, klar, aber Oskar …« Und plötzlich denke ich mir, dass auch ich mich viel zu sehr hineingesteigert habe – in vorhochzeitliche Zukunftsängste. Und dass alles gut wird.
In der Redaktion schummle ich mich mit gesenktem Kopf durch bis zu meinem Schreibtisch, ich kann auf Kommentare zu meinem vermöbelten Gesicht verzichten. Zum Glück habe ich nicht allzu viel zu tun, in erster Linie Routinearbeit. Vesna ruft an, um mir zu sagen, dass das Alibi von Peter und Gerda für gestern Abend wirklich wasserdicht ist. Fast wie inszeniert. Wer hat es arrangiert? Die Kinder.
Ich telefoniere mit Claudia, und sie murmelt mürrisch: »Sie haben doch gesagt, wir sollen uns um Mutter kümmern. Was ist daran wieder falsch?«
»Gar nichts.«
»Aber?«
»Kein Aber. War das mit dem Abendessen deine Idee?«
»Es war mehr die von Philipp, das heißt, er hat gemeint, man sollte Mutter einen schönen Abend machen. Ich bin dann auf die Idee mit dem Essen gekommen.«
Philipp bestätigt das weitgehend. »Sie hat es ja wirklich schwer, und der Typ ist ganz in Ordnung«, meint er.
»Und wo warst du gestern Abend?«
»Unterwegs, bei Freunden. Wir haben eine LAN-Party gemacht, da spielen alle an ihrem Computer …«
»Ganz daneben bin ich auch nicht, ich weiß, was eine LAN-Party ist. Wie wäre es mit der Nummer eines Freundes, damit ich das überprüfen kann?«
Ich wundere mich, wie anstandslos ich diese Nummer bekomme. »Übrigens: Nicole Frohner bestreitet, ein Verhältnis mit deinem Vater gehabt zu haben.«
»Vielleicht will sie es lieber vergessen, kann ich verstehen.«
»Sie sagt, sie hat freiwillig gekündigt.«
»Vielleicht musste sie nicht mehr arbeiten, und er wollte sie aushalten? Sie verstehen schon. Außer Geld konnte sie doch von diesem Typen nichts wollen. Ich schwöre es, ich habe die beiden gesehen. Ich hätte sie fotografieren sollen, am besten beim Ficken.«
Mir geht der Knabe auf die Nerven.
Ich gehe gerade die Einladungsliste für die Hochzeit durch, jetzt sind es doch rund fünfzig Gäste geworden, mehr Freunde als Verwandte zum Glück. Oskar und ich sind einer Meinung: dass wir niemanden nur der Konvention wegen einladen wollen – abgesehen von der Verwandtschaft.
Droch biegt Äste zur Seite, rollt an meinem Ficus vorbei zu mir.
»Irgendwann einmal frisst dich dein Grünzeug auf«, sagt er. Er war die letzten Tage mit unserem Bundespräsidenten auf Staatsbesuch in Usbekistan. Ich wusste gar nicht, dass er schon wieder zurück ist.
»Und was ist das?«, sagt er und hebt eine Muster-Einladungskarte von meinem Schreibtisch. »Nein. Glaube ich nicht!«
Ich nicke. »Wir werden heiraten.« Ich versuche, möglichst ausdruckslos dreinzuschauen.
»Und an mir wolltest du die Hochzeit vorbeischummeln?«
»Nein, es war eher eine spontane Idee.« Eine besoffene, um genau zu sein, Droch würde die Geschichte gefallen, vielleicht erzähle ich sie ihm irgendwann einmal. Jetzt macht er jedenfalls auf zynisch und meint: »Wohl das Gegenprogramm zur gescheiterten Ehe unserer Fotografin? Mädchen, wo nimmst du bloß deinen Optimismus her? Als ob Beziehungen auf Dauer gut gehen könnten.« Dann erst sieht er meine Verletzung auf der Wange und sagt besorgt: »Und worauf hast du dich da schon wieder eingelassen?«
Ich grinse, das geht schon wieder, hat vielleicht auch mit den drei Aspirin zu tun, die ich mir vor kurzem wieder verordnet habe. »Oskar war es jedenfalls nicht.«
»Bis zum Heiraten wird alles wieder gut, heißt es. Aber ob sich das ausgeht …«
Daran habe ich überhaupt noch nicht gedacht. Was wird Oskars Mutter zu meinem Gesicht sagen?
»Du bist übrigens natürlich eingeladen. Du sollst mein Trauzeuge sein, okay?« Ist mir gerade so eingefallen.
»Ich weiß nicht …«
»Aber ich weiß.«
»Was sagt Oskar
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