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Verschleppt

Verschleppt

Titel: Verschleppt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verhoef & Escober
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bloß nichts von dem Spektakel zu verpassen.
    »Ich habe Schüsse gehört«, sagte eine Frauenstimme hinter ihm. Sie klang geradezu entzückt. »Vier oder fünf Schüsse.«
    »Das roch schon immer irgendwie illegal hier«, sagte ein anderer.
    Wadim lächelte. Früher hatte er vielleicht sechzig Prozent von dem verstanden, was in seiner Umgebung auf Niederländisch gesagt wurde, aber mittlerweile konnte er sich fast jedes Wort übersetzen. Er verdankte es dem Lingo-Sprachkurs sowie der Tatsache, dass er oft in Kneipen den Gesprächen der Gäste zugehört hatte.
    Das war ungefähr das einzig Positive.
    Leichensack Nummer drei kam zum Vorschein.
    Drei Säcke, drei Mann, dachte er: Maxim, Pawel und Ilja. Aber hundertprozentig sicher konnte er nicht sein. Am liebsten wäre er über die Absperrung gesprungen und hätte die Säcke aufgeschlitzt.
    Noch wichtiger war: Wer hatte die auf dem Gewissen? Der Erste, der ihm da in den Sinn kam, war Sil Maier, aber das lag wahrscheinlich daran, dass er sowieso ständig an Maier denken musste. Logisch war es nämlich gar nicht. Maier kannte Maxim Kalojew nicht, und er konnte auch nicht wissen, dass seine Freundin ausgerechnet hier festgehalten wurde. Das war schlichtweg nicht möglich.
    Also musste irgendetwas anderes dahinterstecken. Was er bei der ganzen Aufregung übersah.
    Vielleicht war Maxim ausgerastet und hatte die beiden Polizisten abgeknallt. Oder ein paar Mädchen. Vielleicht auch seine Angestellten. Oder sie ihn  … Vielleicht hatte früher am Abend, nachdem die Polizei wieder abgezogen war, ein Überfall stattgefunden, bei dem Maxim umgebracht und seiner Mädchen beraubt worden war. Das junge Fleisch brachte auf dem freien Markt sicher zwischen sieben- und fünfzehntausend pro Stück ein. Es gab Leute, die für weniger gelyncht wurden.
    Es störte ihn sehr, dass er nicht wusste, was sich hinter der Fassade dieses Hauses abgespielt hatte, ja, dass er vielleicht niemals dahinterkommen würde.
    Maxims Laden konnte er sich jetzt zumindest abschminken. Und damit wohl auch Susan Staal als Köder. Vielleicht war sie tot, vielleicht hatte man sie weggebracht, vielleicht war sie geflüchtet.
    War alles möglich.
    Ihm blieb jetzt nichts als abzuwarten, ob der Vogel irgendwann brav zu seinem Nest zurückgeflogen käme.
     

66
     
    Das Motelzimmer war absurd groß und wirkte mit der einfach eingerichteten Küche und dem Badezimmer tatsächlich mehr wie ein Appartement. In der Mitte des rechteckigen Raums gab es eine freistehende Wand, zu deren beiden Seiten zwei Doppelbetten aufgestellt waren. Auf einem Couchtisch in der Ecke stand ein großer Fernseher, um einen ovalen Esstisch waren vier mit einem Blumenmuster bezogene Holzstühle gruppiert. Glänzende braune Vorhänge und auf dem Boden ein verschlissener beigefarbener Bouclé-Teppich.
    Joyce hatte die nackten Füße auf die Tischplatte gelegt und trank einen Schluck Tee. Maier hatte auch einen Becher in der Hand, aber noch nicht davon getrunken. Nachdem er stundenlang auf und ab gegangen war, hatte er sich endlich am Fußende eines der beiden Betten niedergelassen. Er drehte den Becher in den Händen und hing seinen Gedanken nach.
    »Ist schwieriger, als es aussieht, was?«, hörte er Joyce fragen. »Mit Stäbchen essen.«
    Er folgte ihrem Blick und brauchte etwas länger, bis er begriff, was sie meinte. Seine Hose und sein Hemd waren mit angetrockneter Erdnusssoße verschmiert. Auch ein paar Bamigoreng-Reste hingen an seiner Kleidung. Und klebriges Rührei. Erst jetzt, da es bereits Nacht war und sie endlich Zeit fanden, die Ereignisse zu rekonstruieren, merkte er auch, wie er roch. »Scheiße. Ich hab meine Klamotten noch in dem Carrera liegen. Und der steht bei dir zu Hause vor der Tür.«
    »Fahr doch schnell los und hol deine Tasche, so weit ist es nicht.«
    »Ich will lieber nicht riskieren, von deinen Kollegen herausgewunken zu werden, solange meine Klamotten noch voller Blutspritzer sind.«
    »Sie werden schon nicht ganz Eindhoven abgesperrt haben. Wenn du dich ganz normal an die Verkehrsregeln hältst und um das Viertel einen Bogen machst, brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen.«
    Maier schielte zu Susan hinüber, die in dem hinteren Bett lag, auf der anderen Seite der Wand. Sie hatte sich schön zudecken lassen, sich ganz klein zusammengerollt und sich unter die Decke gekuschelt, um dann mehr oder weniger sofort einzuschlafen. Bei dem gedämpften Licht war von ihr lediglich eine Erhebung unter der dünnen

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