Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschleppt

Verschleppt

Titel: Verschleppt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verhoef & Escober
Vom Netzwerk:
Überdecke zu erkennen. »Ich möchte bei Susan bleiben.«
    »Wie du willst. Aber unternimm was gegen den Gestank. Ich werde mein Leben lang kein chinesisches Essen mehr riechen können, ohne an diese Nacht zurückzudenken, verdammt. Geschweige denn es essen.«
    So geht es mir mit Grillen , dachte Maier, behielt das aber lieber für sich. Joyce war eine korrupte Kripobeamtin, keine Beichtmutter. Außerdem lag die Aktion, an die er eben hatte denken müssen, geraume Zeit zurück. Den Geruch von verbranntem Menschenfleisch, von dem ihm noch heute übel wurde, wenn er ihn sich wieder in Erinnerung rief, hatte er kennengelernt, bevor er bei Susan eingezogen war. In den letzten Wochen hatte er oft daran zurückgedacht, auch weil diese ekelhafte Aktion in dieselbe Zeit gefallen war wie die Konfrontation mit den russischen Brüdern. Er hätte gern mit Joyce darüber gesprochen, aber das war unvernünftig.
    Er musste sich immer wieder ermahnen, nicht allzu vertraulich mit ihr umzugehen. Schließlich kannte er diese Frau kaum, und ihre Beweggründe waren ihm noch nicht ganz klar. Es war schwer, von sich selbst nicht mehr preiszugeben. Sie kam ihm nämlich mit der Zeit immer vertrauter vor.
    »Würdest du etwas für mich tun?«, fragte er.
    Joyce sah auf. »Deine Tasche für dich holen, meinst du?«
    Er nickte. »Diese Klamotten muss ich sowieso waschen. Die sind bis morgen nicht trocken, und ich kann sie ja schlecht bei der Wäscherei abgeben.«
    Sie sprang auf. »Hast du den Schlüssel?«
    Maier fischte ihn aus der Hosentasche und warf ihn Joyce zu. »Du bist ein Engel.«
    Sie wollte etwas sagen, schien sich aber zu besinnen und ging ohne ein weiteres Wort hinaus. Schloss sorgfältig die Tür.
    Er wartete, bis er das Auto wegfahren hörte, dann drehte er den Warmwasserhahn auf, zog seine stinkenden Klamotten aus und warf sie in die Badewanne. Drückte über dem tosenden Wasser eine Flasche Shampoo aus und drehte nach einer Weile den Hahn wieder zu.
    Allmählich wich der Essensgeruch einem synthetischen Jasminduft.
    In Boxershorts und auf Socken ging er zum Bett zurück. Susan lag noch immer da und schlief, die Knie an die Brust gezogen wie ein ungeborenes Kind.
    Mit verschränkten Armen blieb er reglos stehen, sah sie an. Ihre Haare. Ihre geschlossenen Augen. Ihre tiefen Atemzüge. Die leichten Zuckungen um ihren Mund. Der rechte Mundwinkel war aufgerissen, geronnenes Blut klebte ihr am Kinn und auf der Wange.
    Er verspürte einen starken Drang, dieses Blut vorsichtig wegzuwischen, zu Susan ins Bett zu kriechen und sie an sich zu drücken. Mit seinem Körper einen Puffer zu bilden, der sie vor allen Arschlöchern der Welt beschützte. Aber er wagte sie nicht einmal zu berühren, aus Angst, dass sie womöglich heftig darauf reagierte.
    Er begriff einfach nicht, dass es so weit hatte kommen können. Wie hatte er so naiv und kurzsichtig sein können, sich einzubilden, er könnte ein derart destruktives Leben führen, ohne die Menschen, die er liebte, mit hineinzuziehen. Als hätte er hartnäckig an ein Märchen geglaubt, in dem zwei Welten strikt voneinander getrennt gewesen waren. Eine, die er hatte aufsuchen können, wann immer er wollte, wie einen düsteren, aber klar abgegrenzten Abenteuerpark, und eine andere, die der täglichen Realität entsprach, in der er mit Susan gelebt hatte. Zwei parallele Welten ohne Berührungspunkte –nur er selbst konnte ungestraft von der einen in die andere hinüberwechseln.
    Allein schon dieser Gedankengang war doch empörend infantil.
    Für seine kindliche Sehnsucht nach Abenteuern hatte Susan den Preis für Erwachsene bezahlt. Er hasste sich selbst dafür.
    Kräftig drückte er sich seine Nägel in die Haut, spürte es jedoch nicht einmal. Regungslos blieb er im Raum stehen und quälte sich, indem er Susan unablässig ansah. Das herzzerreißende Ergebnis seiner Taten.
    Zum ersten Mal in seinem Leben wusste er genau, dass diese Frau das Wertvollste in seinem Leben war. Zugleich wurde ihm mit eisiger Klarheit bewusst, dass er das zu spät erkannte.
     

67
     
    »Können Sie nicht lesen? Da hängt nicht umsonst ein Schild ›Bitte nicht stören‹.«
    »Das habe ich gesehen, aber es ist nun schon das dritte Mal, dass ich nicht hineinkann. Ich muss es doch auch mal saubermachen.«
    »Das kann warten, bis wir weg sind.«
    »Lassen Sie sich dann zumindest die frischen Handtücher geben.« Ohne die Reaktion abzuwarten, nahm das Zimmermädchen einen ordentlichen Stapel blütenweißer

Weitere Kostenlose Bücher