Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)
Schmuck? Linda
resignierte.
Kofferpacken
war noch nie ihre Stärke gewesen, und als plötzlich ihr Handy klingelte, schien
es ihr wie eine Erlösung. Sie hatte ja auch noch zwei Tage Zeit, der Flug ging erst
am Freitag. Sie würde alles noch einmal durchgehen und bei den Klamotten vielleicht
doch noch einmal aussortieren.
Es war Babs,
die anrief.
»Dienstlich«,
sagte sie gleich zu Beginn entschuldigend und erzählte was von einer toten Frau
auf der Höri am Bodensee. Irgendwo Richtung Schweizer Grenze.
»Du fliegst
doch erst übermorgen, könntest du nicht den Beitrag noch machen? Wir sind echt knapp
an guten Leuten, und für dich wäre das doch Routine. Die PK ist heute Nachmittag
um zwei in der Stadthalle Singen.«
7
Linda Roloff pfiff fröhlich den
Abba-Song mit – ›The Winner takes it all‹ – der gerade im Sender lief und beschloss,
in der Hegau-Raststätte noch eine kleine Pause einzulegen. Sie fühlte sich immer
ein bisschen wie im Urlaub, wenn sie auf der A81, dem Spätzlehighway , von
Tübingen kommend Richtung Bodensee in den Süden fuhr.
Sie genoss
jedes Mal den Anblick der Hegauvulkane – ›des Herrgotts Kegelspiel‹, wie sie der
Arzt und Schriftsteller Ludwig Finckh einmal genannt hatte. Wild und schroff ragten
sie in der Landschaft auf, Hohentwiel, Hohenkrähen, Mägdeberg, Hohenstoffel und
Hohenhewen, letzte Zeugen einer geologischen Vergangenheit, und sie stellte sich
vor, dass an ihren Hängen einst Mammuts und Wollnashörner grasten und die Menschen,
die später im See in Pfahlbauten lebten, dort oben in den Wäldern ihre ersten Feuer
machten.
Wann immer
es ihre Zeit zuließ, gönnte sie sich in der Raststätte einen doppelten Espresso
und nahm sich ihre fünf Minuten Auszeit. Sie fuhr an den Frauenparkplätzen direkt
vor der Raststätte vorbei und steuerte die südlichen Stellflächen an, parkte ihren
roten Renault mit der Schnauze Richtung Hohenkrähen und holte sich den Espresso
an der Cafébar. Sie nahm die Tasse mit hinaus und schlürfte den heißen Wachmacher
mit Blick auf die Hegauberge. Es war eine Landschaft, die auch Alan Scott ausgesprochen
gut gefallen hatte. ›Hat was von Afrika, die Felsen nördlich von Isiolo‹, hatte
er beim Anblick der Felskegel gesagt, und sie hatte ihm recht gegeben.
Er hatte
sich seinen Traum erfüllt, dachte sie neidvoll. Jahrzehntelang war der unruhige
Fuchs umhergezogen, hatte Safaris geführt, für andere in Camps und Lodges gearbeitet,
desinteressierte Pauschaltouristen mit der Fauna seines Landes vertraut gemacht
und für Hochseefischer Touren zum Blauen Marlin organisiert. So sehr ihm dieses
wilde, unstete Leben im Busch und auf dem Ozean gefallen hatte, so sehr sehnte er
sich doch nach seinem eigenen Stückchen Afrika.
Jetzt hatte
er es erhalten, zwar nur eine alte, heruntergewirtschaftete Farm im Norden Namibias,
zwischen dem Waterberg und Etosha, aber für Alan war es das schönste Land, das er
je in Afrika gesehen hatte. Wie hatte er ihr vorgeschwärmt von den gelben Savannen
und der roten Erde des Velds, von den grünen Hügeln, in deren Mopanewäldern er Elefanten
und die seltenen Weißschwanzgnus ansiedeln wollte, mit welchen Worten hatte er ihr
den Sonnenuntergang am Stausee geschildert, in dem er in seinen Vorstellungen schon
Krokodile und Flusspferde schwimmen sah.
Alan Scott
war ein sensibler Träumer, und das Unglaubliche war, dass er es schaffte, seine
Träume zu leben. Manchmal hatte sie das Gefühl, ihm bei seinen Träumen eigentlich
im Weg zu sein, ein Hindernis, das er aber nicht überwinden wollte, aus Liebe zu
ihr. Und diese Liebe war etwas so Großartiges, Kostbares und nie da Gewesenes, dass
auch sie bereit war, ihr bisheriges Leben dafür aufzugeben. Fast.
Geplant
hatten sie es eigentlich anders. Alan Scott sollte nach Deutschland ziehen. Ja,
er war bereit gewesen, seine große Liebe Afrika für die Liebe zu einer Frau aufzugeben.
Doch dann war es zu einem unnötigen Streit gekommen, für den sich Linda heute noch
verfluchte. Sie hatte auf stur geschaltet, das Tau, das ihre Liebe gehalten hatte,
war zerrissen, der Traum geplatzt.
Sie hatte
geglaubt, ihn sicher zu haben, ihn formen zu können, und in der Tat, der harte und
coole Safariguide schmolz wie Wachs in ihren Händen, erfüllte ihr jeden Wunsch und
verzichtete ihr zuliebe auf sein Leben im Busch. Aber sie war zu weit gegangen.
Als ihn sein Freund in Südafrika um Hilfe gebeten hatte, hatte sie von ihm gefordert,
sich endgültig zwischen Afrika und
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