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Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Titel: Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edi Graf
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Grandel
hatte den Kopf geschüttelt.
    »100.000!«
    Reiter hatte
eingeschlagen.
    Zwei Tage
später hatte sie ihn angerufen und hysterisch gekreischt: »Sie haben ein Kind da
drin! Lassen Sie das Mädchen sofort frei! Ihr dreckiges Geld will ich nicht mehr!«
Dann hatte sie aufgelegt.
    Alles weitere
war Geschichte. Ob es ein Unfall war oder Mord, war ihm letztendlich egal. Die Leiche
hatten sie in den Garten der Toten geschafft. Und die Tatwaffe wies auf diesen Penner.
    »Irgendwann
hätte die doch geredet!«, dachte Horst Reiter jetzt.

48
     
    Tanjah.
    Die Luft
trocken, der Geschmack von Sand auf den spröden Lippen, und dann das Salz. Sie schmeckt
es zum ersten Mal in einer Nacht, als sie schon längst aufgehört hatte, die Nächte
zu zählen. Sie schmeckt das Salz und sie riecht das Meer. Wie lange ist es her,
seit sie das letzte Mal das Meer gerochen hat, im Golf von Guinea, in der Lagune
von Lagos?
    In Tanjah
warten die Boote, haben sie unterwegs erzählt.
    In Tanjah
wartet Europa.
    In Tanjah
wartet die Freiheit.
    In Tanjah
warten sie.
    Sie warten
auf die Freiheit, auf Europa, auf die Boote. Sie warten in den engen Gassen der
Medina von Tanjah. Hierher hat Akpan sie geführt. Immerhin, es sind feste Räume
in den alten, feuchten Häusern, keine Bretterverschläge, keine Lager, keine Höhlen
oder Wüstenzelte. Sie bezahlen dem Eigentümer, der seiner ›Pension‹ den Namen ›Vienna‹
gegeben hat, Miete für das enge, stinkende Zimmer, Tag für Tag. Damit schmiere er
die Polizei, erklärt er, damit sie sein Haus bei ihren Razzien auslassen. Sie bezahlen
jede Stunde, die sie auf ein Boot warten. Und sie verdienen wieder das Geld mit
ihrem Körper. Es gibt keine andere Möglichkeit.
    Sie warten
mit Blick auf Europa.
    »Das, was
du dort am Abend leuchten siehst, ganz hinten, weit über dem Meer, sind die Lichter
Spaniens«, erzählt Ben, der Nigerianer, den sie in Maghnia wieder getroffen hat.
    »Es sind
nur 14 Kilometer«, sagt Ben. »Die Meerenge von Gibraltar, der kürzeste Weg nach
Europa.«
    14 Kilometer?
Ein Klacks, verglichen mit dem, was sie hinter sich haben. Doch sie hat auch die
Geschichten gehört von den gekenterten und versunkenen Booten, von den Stürmen des
Estreco und der heftigen Strömung, die die kleinen Kähne auf den Atlantik hinaus
zerrt. Von den Menschen, die hilflos im Meer treiben und in den Sogwellen der großen
Tanker unter Wasser gedrückt werden, wo sie jämmerlich ertrinken.
    Sie erzählen
von der spanischen Polizei, die das Meer überwacht, deren Kameras wie Eulenaugen
auch bei Nacht jedes Boot erspähen, auch die grauen Schlauchboote, die dem Langstreckenradar
entkommen. Hubschrauber kreisen unablässig über der Meerenge, und manchmal sieht
sie am diesseitigen Ufer ein großes Feuer lodern. Ben sagt, dass seine Flammen die
beschlagnahmten Boote fressen.
    Sie kann
nicht zurück nach Hause, ohne noch einmal die Wüste zu durchqueren. Noch einmal
würde sie das nicht schaffen, das weiß Hadé, und so tut sie, was alle Frauen tun,
sie verkauft ihren Körper an die Männer, die dafür bezahlen, stets auf der Hut,
keinem marokkanischen Polizisten in die Hände zu fallen. Denn dies ist gleichbedeutend
mit Deportation in die Wüste, zurück hinter die Grenze, ohne Verpflegung.
    Sie hat
gehört von Männern, die man in Tanjah aus dem Boot gezerrt und ausgepeitscht hat,
die nach Algerien gebracht worden sind und von dort auf Viehtransportern nach Mali,
wo man sie in der Wüste verschmachtend zurückgelassen hat. Sie haben es gebüßt,
nicht zu warten, sondern sich um die Plätze im Boot zu streiten und die marokkanische
Polizei auf sich aufmerksam zu machen. Nur einer hat überlebt und sich erneut auf
den Weg gemacht. Er hat dafür gesorgt, dass die anderen die Geschichte hören, die
Geschichte, wie seine Flucht in Tanjah geendet hat.
    14 Kilometer
vor dem Paradies.

49
     
    Das moderne Café mit dem italienischen
Namen Pane im Untergeschoss des Konstanzer Altstadthauses war gut besucht,
es lag nur einen Steinwurf vom See entfernt, direkt an der Marktstätte, die von
Feierabendeinkäufern belebt war.
    Sie saßen
an einem Ecktisch und hatten Cappuccino bestellt. Jens Bosch hatte das Café als
Treffpunkt vorgeschlagen, da er bei der Staatsanwaltschaft in Konstanz zu tun gehabt
hatte. Seit er in Singen bei der Kriminalpolizeiaußenstelle arbeitete, hatte er
eine Wohnung im Forellengang unweit des Fährhafens und nützte jede freie Stunde,
um am Bodenseeufer zu joggen oder, sobald die

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