Verschlossen und verriegelt
hoffnungslos ungebildete Erwachsene reserviert war, und erklärte:
»Mit anderen Worten, eingebildete Schmerzen.«
»Hatten Sie persönlichen Kontakt zu Svärd?«
»Ja, natürlich. Ich habe täglich mit ihm gesprochen, und vor seiner Entlassung haben wir uns lange unterhalten.«
»Wie hat er reagiert?«
»Anfangs war sein Verhalten ganz von seiner eingebildeten Krankheit geprägt. Er war überzeugt, an einer unheilbaren Krebserkrankung zu leiden und bald sterben zu müssen. Er glaubte, er hätte nicht viel mehr als noch einen Monat zu leben.«
»Das hatte er auch nicht«, sagte Martin Beck.
»Tatsächlich? Ist er überfahren worden?«
»Erschossen. Möglicherweise hat er Selbstmord begangen.« Der Arzt nahm seine Brille ab und putzte sie nachdenklich mit einem Zipfel seines weißes Kittels.
»Letzteres erscheint mir ausgesprochen unwahrscheinlich«, sagte er.
»Warum?«
»Bevor Svärd entlassen wurde, habe ich, wie gesagt, ein langes Gespräch mit ihm geführt. Er war ungeheuer erleichtert, als ihm klar wurde, dass er gesund war. Bis dahin war er völlig am Boden zerstört gewesen, aber auf einmal war er ein ganz anderer Mensch. Kurzum: Er freute sich. Schon vorher hatten wir festgestellt, dass seine Beschwerden verschwanden, wenn er sehr schwache schmerzlindernde Mittel bekam. Tabletten, die unter uns gesagt nicht in der Lage sind, echte körperliche Schmerzen zu lindern.«
»Sie glauben also nicht, dass er Selbstmord begangen haben könnte?«
»Er war nicht der Typ.«
»Was für ein Typ war er dann?«
»Ich bin kein Psychiater, aber ich hatte den Eindruck, dass er ein harter und verschlossener Mann war. Ich weiß, dass das Pflegepersonal einige Probleme mit ihm hatte und ihn anstrengend und nörglerisch fand. Aber diese Charakterzüge zeigten sich erst in den letzten Tagen, als er erkannt hatte, dass seine Beschwerden nicht lebensbedrohlich waren.« Martin Beck dachte nach. Dann sagte er: »Sie wissen nicht zufällig, ob er Besuch bekommen hat, als er hier war?«
»Nein. Das weiß ich nicht. Mir gegenüber hat er gesagt, er habe keine Freunde.« Martin Beck stand auf.
»Danke«, sagte er. »Das wäre dann wohl alles. Auf Wiedersehen.«
Er war schon an der Tür, als der Arzt sagte:
»Apropos Besuch und Freunde, da ist mir gerade noch etwas eingefallen.«
»Was denn?«
»Naja, ein Verwandter von Svärd hat sich bei uns gemeldet. Ein Neffe. Er hat in meiner telefonischen Sprechstunde angerufen und sich nach dem Befinden seines Onkels erkundigt.«
»Und was haben Sie ihm geantwortet?«
»Dieser Neffe rief an, als die Untersuchungen gerade abgeschlossen waren. Also konnte ich ihm die freudige Nachricht übermitteln, dass Svärd gesund war und gute Aussichten hatte, noch viele Jahre zu leben.«
»Wie hat der Anrufer reagiert?«
»Er wirkte überrascht. Offenbar hatte Svärd auch ihn davon überzeugt, dass er schwer krank war und den Krankenhausaufenthalt kaum überleben würde.«
»Hat der Neffe seinen Namen genannt?«
»Wahrscheinlich, aber ich erinnere mich nicht mehr.«
»Mir fällt da gerade noch etwas ein«, sagte Martin Beck. »Geben Patienten bei der Aufnahme nicht eigentlich immer Namen und Adresse eines Angehörigen oder Bekannten an, ich meine, für den Fall, dass…« Er ließ den Satz in der Schwebe.
»Doch, das ist richtig«, antwortete der Arzt und setzte seine Brille auf.
»Mal sehen. Es müsste hier einen Namen geben. Ja, hier steht er.«
»Und?«
»Rhea Nielsen.«
Martin Beck ging in Grübeleien versunken durch den Tanto-lunden-Park. Er wurde nicht ausgeraubt, nicht einmal niedergeschlagen, und sah nur jede Menge Alkoholiker, die zwischen den Sträuchern verstreut lagen, vermutlich auf Pflege wartend.
Er hatte einigen Stoff zum Nachdenken bekommen.
Karl Edvin Svärd hatte keine Geschwister gehabt. Wie konnte er dann einen Neffen haben?
Jetzt hatte Martin Beck einen Grund, in die Tulegatan zu gehen, und er war an diesem Montagabend auch schon unterwegs dorthin.
Doch als er bereits bis zum Hauptbahnhof gekommen war, wo er in eine andere Linie hätte umsteigen müssen, überlegte er es sich anders, fuhr stattdessen zwei Stationen zurück und stieg am U-Bahnhof Slussen aus. Dann ging er den Skeppsbron-Kai entlang, um zu schauen, ob es dort ein paar interessante Schiffe zu sehen gab. Es waren nicht viele.
Auf einmal merkte er, dass er hungrig war. Da er es versäumt hatte, einzukaufen, ging er in das Restaurant Den Gyldene Freden und aß Bayonneschinken, wobei er von
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