Verschlossen und verriegelt
war abgeschlossen. Aber im Flur brannte Licht, und nach etwa einer halben Minute versuchte er es noch einmal.
Sie öffnete. Heute trug sie eine braune Cordhose und eine lila Strickjacke, die halb die Oberschenkel bedeckte.
»Ach, du bist's«, sagte sie säuerlich.
»Ja. Darf ich hereinkommen?« Sie sah ihn an.
»Okay.«
Sie machte abrupt kehrt, und er folgte ihr in den Flur. Nach zwei Schritten hielt sie an und blieb mit gesenktem Kopfstehen. Dann ging sie zur Tür zurück und öffnete das Schnappschloss.
Anschließend überlegte sie es sich anders, sperrte wieder ab und ging vor ihm in die Küche.
»Ich habe zwei Flaschen Wein gekauft.«
»Stell sie in die Vorratskammer«, sagte sie und setzte sich an den Küchentisch, auf dem zwei aufgeschlagene Bücher, einige Blätter, ein Stift und ein rosa Radiergummi lagen.
Er nahm die Flaschen aus der Tüte und stellte sie weg. Sie schielte zu ihm herüber und sagte schlecht gelaunt:
»Warum hast du so einen teuren gekauft?«
Er setzte sich ihr gegenüber. Sie starrte ihm in die Augen und sagte:
»Svärd, was?«
»Nein«, antwortete er sofort. »Allerdings benutze ich ihn als Vorwand.«
»Du brauchst einen Vorwand?«
»Ja, ich schon.«
»Gut«, meinte sie. »Okay. Dann kochen wir Tee.«
Sie schob die Bücher zur Seite, stand auf und fing an, mit den Küchenutensilien zu klappern.
»Eigentlich wollte ich heute Abend lernen«, sagte sie. »Aber das macht nichts. Es ist so verdammt langweilig, allein zu sein. Hast du schon gegessen?«
»Nein.«
»Gut. Dann mach ich uns was.«
Sie stand breitbeinig da, eine Hand auf der Hüfte, und kratzte sich mit der anderen im Nacken.
»Reis«, sagte sie. »Das schmeckt immer. Ich koche Reis, und dann mache ich noch was rein, damit es lecker wird.«
»Ja, klingt gut.«
»Das dauert allerdings ein bisschen, zwanzig Minuten vielleicht. Wir trinken erst mal Tee.«
Sie stellte Tassen auf den Tisch und schenkte ein. Setzte sich, schloss ihre kräftigen breiten Hände um die Tasse und blies auf den Tee, während sie ihn ansah, immer noch ein wenig mürrisch.
»Was Svärd betrifft, hattest du übrigens recht. Er hatte Geld auf der Bank. Ziemlich viel sogar.«
»Mhmm«, machte sie.
»Jemand hat ihm 750 Kronen im Monat gezahlt. Hast du eine Ahnung, wer das gewesen sein könnte?«
»Nein. Er kannte doch niemanden.«
»Warum könnte er umgezogen sein?« Sie zuckte mit den Schultern.
»Ich kann mir höchstens vorstellen, dass er sich nicht wohl gefühlt hat. Er war doch so seltsam. Mehrmals hat er sich beschwert, dass ich die Haustür abends nicht früher abschließe. Anscheinend hat er gedacht, das Haus wäre nur für ihn da.«
»Ja, stimmt.«
Sie schwieg eine ganze Weile. Dann sagte sie: »Was stimmt? Gibt es über Svärd irgendwas Interessantes?«
»Ich weiß nicht, ob du es interessant findest«, erwiderte Martin Beck. »Jemand muss ihn erschossen haben.«
»Merkwürdig«, sagte sie. »Erzähl.«
Sie fing wieder an, mit ihren Töpfen zu klappern, war aber ganz Ohr und unterbrach ihn nicht, runzelte jedoch hin und wieder die Stirn.
Als er fertig war, lachte sie schallend los.
»Das ist ja großartig«, sagte sie. »Liest du keine Krimis?«
»Nein.«
»Ich lese jede Menge Krimis, alle möglichen, und vergesse das meiste, was ich lese, gleich wieder. Aber das ist ein klassischer Fall. Der verschlossene Raum, darüber gibt es lange Abhandlungen. Ich habe erst neulich eine gelesen. Warte mal kurz. Stell schon mal die Teller auf den Tisch. Nimm die Sojasauce aus dem Regal. Deck den Tisch ein bisschen nett.« Er gab sein Bestes. Sie war ein paar Minuten weg und kehrte mit einer Zeitschrift in der Hand zurück. Legte sie aufgeschlagen neben ihren Teller und begann anschließend, Essen aufzufüllen.
»Iss«, befahl sie. »Solange es noch heiß ist.«
»Schmeckt gut«, erklärte er.
»Mhmm«, sagte sie. »Ich habe es wieder einmal geschafft.« Sie schlang eine ordentliche Portion hinunter, guckte dann in die Zeitschrift und sagte:
»Hör zu. Der verschlossene Raum. Eine Untersuchung. Es gibt drei Hauptkategorien, A, B und C. A: Das Verbrechen ist in einem verschlossenen Raum begangen worden, der wirklich verschlossen und verriegelt war und aus welchem der Mörder verschwunden ist, weil sich gar kein Mörder in dem Raum aufgehalten hat. B: Das Verbrechen ist in einem Raum begangen worden, der nur scheinbar hermetisch verschlossen war und aus dem man auf irgendeine mehr oder weniger listige Art verschwinden konnte. C:
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