Verschlossen und verriegelt
wenn man einen toten Penner findet, Sherlock Holmes spielen. War sonst noch was?«
»Ja, eins noch. Ich möchte darauf hinweisen, dass du diesen Auftrag grob fahrlässig durchgeführt hast.«
»Was?«
Gustavsson stand auf. Plötzlich schien er zu begreifen, dass Martin Beck in der Position war, seiner Karriere ernsthaft schaden zu können.
»Warte mal«, sagte er. »Nur weil ich die Blutflecken und eine Pistole nicht gesehen habe, die nicht da war?«
»Diese Unterlassungssünden wiegen nicht am schwersten«, erwiderte Martin Beck. »Auch wenn sie unverzeihlich sind. Aber du hast zum Beispiel die Gerichtsmedizinerin angerufen und ihr Anweisungen gegeben, die auf falschen und vorgefassten Meinungen basierten. Außerdem hast du die beiden Streifenpolizisten verleitet zu glauben, der Fall sei so simpel, dass du bloß den Raum betreten und dich umschauen müsstest, und schon sei alles geklärt. Du hast gesagt, eine kriminaltechnische Untersuchung sei nicht nötig, und hast anschließend die Leiche abtransportieren lassen, ohne wenigstens ein paar Fotos zu machen.«
»Aber, mein Gott«, sagte Gustavsson. »Der Alte muss sich doch umgebracht haben.«
Martin Beck drehte sich um und sah ihn an.
»Sind… sind das hier offizielle Beanstandungen?«
»Ja, in hohem Maße.
Auf Wiedersehen.«
»Warte mal, ich werde alles tun, was ich kann, um dabei zu helfen, dass …«
Martin Beck schüttelte den Kopf. Der Mann ging. Er wirkte besorgt, aber bevor die Tür endgültig ins Schloss fiel, hörte Martin Beck ihn ein einziges Wort sagen: »Drecksack.«
Aldor Gustavsson hätte natürlich kein Kriminalassistent, ja nicht einmal Polizist sein dürfen. Er war unbegabt, dummdreist und selbstgefällig und hatte eine völlig falsche Dienstauffassung. Es war immer so gewesen, dass man die besten Leute der Schutzpolizei für die Kripo rekrutierte. Im Großen und Ganzen war es wohl auch heute noch so.
Wenn eine solche Person schon vor ein paar Jahren Kriminalbeamter werden konnte, wie würde es dann erst in Zukunft aussehen?
Martin Beck war der Meinung, dass sein erster Arbeitstag beendet war.
Morgen würde er sich den verriegelten Raum anschauen. Was würde er an diesem Abend machen? Etwas essen, irgendwas, und dann dasitzen und in Büchern blättern, von denen er wusste, dass er sie eigentlich lesen sollte. Allein in seinem Bett liegen und auf den Schlaf warten. Sich eingesperrt fühlen. In seinem eigenen verschlossenen Raum.
8
Einar Rönn war ein Naturfreund und hatte sich für den Beruf des Polizisten entschieden, weil er einen auf Trab hielt und reichlich Gelegenheit bot, sich im Freien aufzuhalten. Mit den Jahren und den Beförderungen bestand sein Arbeitstag zunehmend aus Stillsitzen am Schreibtisch, und die Aufenthalte in der frischen Luft, soweit man in Stockholm von solcher sprechen konnte, wurden immer seltener. Es war für ihn deshalb lebensnotwendig geworden, seinen Urlaub in der wildromantischen Gebirgswelt seiner Heimatregion zu verbringen. Im Grunde seines Herzens verabscheute er Stockholm, und bereits mit fünfundvierzig Jahren begann er an seine Pensionierung zu denken, nach der er für immer nach Arjeplog zurückkehren würde.
Der diesjährige Urlaub stand vor der Tür, und er befürchtete allmählich, dass man ihn noch im letzten Moment bitten könnte, ihn zu opfern, wenn nicht wenigstens dieser Banküberfall vorher aufgeklärt wurde.
Um aktiv daran mitzuwirken, dass die Ermittlungen endlich zu einem Ergebnis führten, nahm er es deshalb am Montagabend auf sich, nach Sollentuna hinauszufahren und mit einem Zeugen zu sprechen, statt zu seiner Frau in Vällingby heimzukehren.
Nicht genug damit, dass er freiwillig einen Zeugen aufsuchte, den man ebenso gut wie sonst üblich hätte vorladen können, stürzte er sich auch noch mit solchem Enthusiasmus auf die Aufgabe, dass Gunvald Larsson, der seine egoistischen Gründe nicht durchschaute, sich erkundigte, ob er und Unda sich gestritten hätten.
»Jau, haben wir nicht, das«, erwiderte Rönn mit einer für ihn typischen Satzkonstruktion.
Der Mann, den Rönn besuchen wollte, war der zweiunddreißigjährige Metallarbeiter, den auch Gunvald Larsson schon zu seinen Beobachtungen vor der Bank in der Hornsgatan befragt hatte.
Er hieß Sten Sjögren und wohnte allein in einem Reihenhaus am Sängarvägen. Er stand in seinem kleinen Vorgarten und goss einen Rosenstrauch, und als Rönn aus dem Wagen stieg, stellte er die Gießkanne ab, ging zur Gartenpforte und
Weitere Kostenlose Bücher