Verschlossen und verriegelt
Aber er kam mir jünger vor, war bestimmt kaum älter als zwanzig. Und er war schlank und blass, so viel konnte ich erkennen. Er trug ein weißes T-Shirt, und seine Arme waren furchtbar dünn. Seine Haare waren schwarz und ziemlich lang und sahen dreckig aus. Fettig und strähnig. Er hatte eine Sonnenbrille auf, und ich erinnere mich, dass er ein breites schwarzes Uhrenarmband am linken Handgelenk trug.« Sjögren lehnte sich mit dem Bierglas in der Hand auf seinem Stuhl zurück.
»Tja, ich glaube, jetzt habe ich Ihnen alles erzählt, was mir einfällt«, sagte er. »Oder habe ich was vergessen, was meinen Sie?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Rönn. »Sollte Ihnen noch etwas einfallen, hoffe ich, dass Sie sich bei uns melden. Sind Sie in der nächsten Zeit zu Hause?«
»Ja, leider«, erwiderte Sjögren. »Ich habe zwar Urlaub, aber keine Kohle, um wegzufahren. Also werde ich wohl hierbleiben und herumlungern.« Rönn leerte sein Glas und stand auf.
»Schön«, sagte er. »Es ist gut möglich, dass wir Ihre Hilfe später noch einmal benötigen.«
Sjögren stand ebenfalls auf und folgte Rönn die Treppe hinab. »Meinen Sie, dass ich Ihnen das alles nochmal erzählen muss?«, sagte er. »Wäre es da nicht besser gewesen, es gleich ein für alle Mal auf Band aufzunehmen?«
Er öffnete die Haustür, und Rönn trat auf die Treppe hinaus. »Ich dachte eher daran, dass wir Sie möglicherweise brauchen, um die Gestalten zu identifizieren, wenn wir sie schnappen. Es könnte auch sein, dass wir Sie bitten müssen, zu uns zu kommen, um sich ein paar Bilder anzuschauen.« Sie gaben sich die Hand, und Rönn sagte: »Jau, wir werden sehen. Vielleicht müssen wir Sie auch nicht mehr belästigen. Danke für das Bier.«
»Ach, keine Ursache. Ich helfe gern, wenn ich kann.« Als Rönn ging, winkte Sten Sjögren ihm von der Treppe freundlich hinterher.
9
Polizeihunde einmal ausgenommen, sind professionelle Verbrechensbekämpfer selten mehr als Menschen. Sogar während wichtiger und ernster Ermittlungen kommt es deshalb vor, dass sie Proben typisch menschlichen Verhaltens abliefern. Wenn man im Begriff steht, einzigartiges und entscheidendes Beweismaterial zu studieren, herrscht beispielsweise oftmals große Spannung.
Die Sonderkommission zur Aufklärung von Banküberfällen bildete hier keine Ausnahme. Sowohl sie als auch ihr hoher Besuch, der sich selbst eingeladen hatte, hielten den Atem an. Der Raum lag im Halbdunkel, und alle Augen waren auf die rechteckige Filmleinwand gerichtet, auf der in Kürze bewegte Bilder von dem Raubüberfall in der Hornsgatan gezeigt werden sollten. Man würde mit eigenen Augen einen bewaffneten Banküberfall, einen Mord und die Person sehen können, die von einer stets gleichermaßen gewitzten wie einfallsreichen Boulevardpresse bereits mit allen möglichen Bezeichnungen im Stil von »mordende Sexbombe« und »blonde Schönheit mit Sonnenbrille und Pistole« belegt worden war. Die Beinamen zeigten, dass die Journalisten in Ermangelung eigener Phantasie auf die Einbildungskraft anderer zurückgriffen, was wiederum eine beschönigende Umschreibung dafür war, worum es hier eigentlich ging, nämlich um nichts anderes als geistigen Diebstahl.
Das letzte Sexsymbol, das man für einen Bankraub eingebuchtet hatte, war eine plattfüßige, pickelige Dame von etwa fünfundvierzig Jahren gewesen, die zuverlässigen Quellen zufolge siebenundachtzig Kilo wog und in ihrem Vielfachkinn blättern konnte. Doch selbst als sie vor dem hohen Gericht ihre dritten Zähne verlor, wich die Presse keinen Millimeter von den lyrischen Beschreibungen ihrer äußeren Erscheinung ab, und eine große Schar unkritischer Leser würde für alle Zeit der festen Überzeugung sein, dass sie lieblich und schön gewesen war, mit Augen wie leuchtende Sterne, und dass sie eigentlich als Stewardess bei PanAm arbeiten oder sich der Aufgabe hätte widmen müssen, um den Titel der Miss Universum zu kämpfen.
So war es immer, wenn Frauen aufsehenerregende Verbrechen begingen. In den Boulevardblättern sahen sie alle aus, als kämen sie geradewegs aus der Mannequinschule von Inger Malmroos.
Dass die Bilder vom Überfall erst jetzt gezeigt werden konnten, lag daran, dass die Kassette wie üblich fehlerhaft gewesen war, weshalb das Fotolabor viel Mühe darauf verwenden musste, den belichteten Film nicht zu beschädigen. Den Technikern war es jedoch gelungen, die Filmspule zu lösen und den Streifen zu entwickeln, ohne dass auch nur der
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