Verschlossen und verriegelt
Hafturlaub.«
»Tja, man kann Menschen eben nicht für alle Ewigkeit mit einem Fernsehgerät in einem Zimmer einschließen.«
»Nein«, sagte Gunvald Larsson. »Da hast du auch wieder recht.«
Sie schwiegen eine Weile.
Beide dachten das Gleiche. Es hatte den schwedischen Staat Millionen gekostet, das Gefängnis von Kumla zu bauen, das mit allen erdenklichen Finessen ausgestattet war, um abweichende Personen auch körperlich der Gesellschaft zu entfremden. Ausländer mit Erfahrungen aus Strafanstalten in den verschiedensten Ländern pflegten zu sagen, dass die Internierungsabteilung der Justizvollzugsanstalt Kumla vermutlich die inhumanste und psychisch zerstörerischste der Welt war.
Die Tatsache, dass es keine Wanzen in den Matratzen oder Maden im Essen gibt, kann den Mangel an menschlichem Kontakt nicht aufwiegen.
»Was den Mord in der Hornsgatan angeht«, setzte Kollberg an.
»Das war kein Mord. Eher ein Unfall. Sie hat nicht absichtlich geschossen. Wusste vielleicht nicht einmal, dass die Pistole geladen war.«
»Bist du dir sicher, dass es eine Frau war?«
»Ja.«
»Aber was soll dann dieses Gerede von Malmström und Mohren?«
»Tja, vorstellbar ist es schon, dass sie ein Mädel hineingeschickt haben.«
»Gibt es keine Fingerabdrücke? Meines Wissens hat sie keine Handschuhe getragen.«
»Es gab welche. An der Türklinke. Aber einer der Bankangestellten hatte drauf herumgetatscht, bevor wir sie sichern konnten. Es ist nichts Verwertbares dabei gewesen.«
»Gibt es eine ballistische Untersuchung?«
»Worauf du dich verlassen kannst. Unsere Experten haben ja sowohl Kugel als auch Hülse bekommen. Sie sagen, dass sie mit einer Fünfundvierziger geschossen hat, wahrscheinlich einer Llama Auto.«
»Eine verdammt große Pistole. Vor allem für eine Frau.«
»Ja. Bulldozer meint, es würde auf diese Bande hindeuten, Malmström, Mohren und Roos. Sie benutzen immer große, schwere Waffen, um den Leuten Angst einzujagen. Aber…«
»Aber was?«
»Malmström und Mohren schießen nicht auf Leute. Jedenfalls haben sie das bisher nicht getan. Wenn jemand aufmuckt, ballern sie eine Kugel in die Decke, um die Ordnung wiederherzustellen.«
»Hat es irgendeinen Sinn, diesen Roos zu verhaften?«
»Naja, ich glaube, Bulldozer denkt so: Wenn Roos eines seiner üblichen Vorzeigealibis hat, zum Beispiel, wenn er letzten Freitag in Yokohama gewesen ist, dann können wir absolut sicher sein, dass er das Ding geplant hat. Wenn er dagegen in Stockholm war, ist die Sache zweifelhafter.«
»Was sagt Roos selbst? Wird er nicht wütend?«
»Nein, nie. Er sagt, es stimme schon, dass er ein alter Kumpel von Malmström und Mohren sei und wie traurig er es finde, dass im Leben der beiden so viel schiefgelaufen ist. Letztes Mal hat er sich bei uns erkundigt, ob er seinen alten Spezis nicht irgendwie helfen könne. Malm war zufällig gerade hier. Er hat fast einen Herzinfarkt bekommen.«
»Und Olsson?«
»Bulldozer hat nur gelacht. Er fand, dass es ein netter Schachzug war.«
»Worauf wartet er?«
»Hast du doch gehört, auf den nächsten Zug. Dass Roos ein Riesending plant, das Malmström und Mohren drehen sollen. Malmström und Mohren wollen vermutlich so viel Geld einsacken, dass sie klammheimlich auswandern und für den Rest ihrer Tage von den Zinsen leben können.«
»Und es muss ein Banküberfall sein?«
»Außer Banken ist Bulldozer alles scheißegal«, antwortete Gunvald Larsson. »Und genau den Befehl soll er auch bekommen haben. Sich um nichts anderes zu kümmern.«
»Was ist aus diesem Zeugen geworden?«
»Du meinst den Typen, den Einar befragt hat?«
»Ja.«
»Er ist heute Morgen hier gewesen und hat sich Fotos angesehen. Hat niemanden erkannt.«
»Aber bei dem Auto ist er sich sicher?«
»Todsicher.«
Gunvald Larsson versank in Schweigen und zog an seinen Fingern, einem nach dem anderen, bis es in den Gelenken knackte. Schließlich sagte er:
»Mit dem Auto stimmt was nicht.«
11
Es schien ein heißer Tag zu werden, und Martin Beck zog seinen leichtesten Anzug aus dem Kleiderschrank. Der Anzug war hellblau. Er hatte ihn sich vor einem Monat gekauft und seither erst einmal getragen. Als er die Hose anzog, erinnerte ihn ein großer schmieriger Schokoladenfleck auf dem rechten Knie an den Tag, als er Kollbergs beiden Kindern begegnet war und man Orgien mit Karamellbonbons und anderem Naschkram gefeiert hatte.
Martin Beck stieg aus der Hose, ging damit in die Küche und ließ heißes Wasser auf einen
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