Verschlossen und verriegelt
fing damit an, dass man eine militantere und einheitlichere Polizei, eine größere technische Ausstattung und vor allem eine umfassendere Bewaffnung haben wollte. Um das alles bekommen zu können, galt es, die Gefahren des Berufs zu übertreiben. Da allgemeines Geschwafel als politisches Druckmittel nicht ausreichte, fand man einen anderen Ausweg: die Manipulation der Statistik.
Hierzu boten die politischen Demonstrationen in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre grandiose Möglichkeiten. Die Demonstranten plädierten für Frieden und wurden mit Gewalt auseinandergetrieben, sie waren so gut wie nie mit etwas anderem als Plakaten und ihren Überzeugungen bewaffnet und wurden mit Tränengas, Wasserwerfern und Gummiknüppeln in Empfang genommen. Fast jede Aktion gegen Gewalt endete in Chaos und Tumulten. Menschen, die sich zu wehren versuchten, wurden misshandelt und eingesperrt. Dann wurden sie wegen »Widerstands gegen die Staatsgewalt« oder »gewaltsamen Widerstands« angeklagt, und unabhängig davon, ob die Leute vor Gericht gestellt wurden oder nicht, flössen die Anklagepunkte in die Statistik ein. Die Methode funktionierte ausgezeichnet. Sobald man einige hundert Polizisten losschickte, um einen Demonstrationszug niederzuknüppeln, schoss die Zahl angeblicher Fälle von misshandelten Polizisten in die Höhe.
Die Schutzpolizei wurde ermuntert, mit eiserner Faust vorzugehen, wie es hieß, und viele Beamte taten dies denn auch mit Vergnügen und bei allen möglichen Gelegenheiten. Brät man einem Penner eins mit dem Schlagstock über, ist die Chance relativ groß, dass er zurückschlägt. Das war eine einfache Lektion, jeder konnte sie lernen.
Die Taktik ging auf. Die Polizei wurde bis an die Grenze des Vorstellbaren aufgerüstet. Situationen, die früher ein einziger Mann, mit seinem Bleistift und einem Funken gesundem Menschenverstand bewaffnet, entschärft hatte, riefen plötzlich eine Busladung von Polizisten mit Maschinenpistolen und schusssicheren Westen auf den Plan.
Auf längere Sicht sah das Ergebnis allerdings nicht ganz so aus, wie man es sich vorgestellt hatte. Gewalt gebiert nicht nur Antipathie und Hass, sondern auch Unsicherheit und Angst. Mittlerweile hatte man es so weit gebracht, dass die Menschen tatsächlich Angst voreinander hatten. Stockholm war eine Stadt, in der Zehntausende verängstigter Individuen lebten, und ängstliche Menschen sind gefährlich.
Viele der sechshundert Polizisten, die es auf einmal nicht mehr gab, hatten ihren Dienst aus Angst quittiert. Obwohl sie, wie gesagt, bis an die Zähne bewaffnet waren und außerdem die meiste Zeit in ihren Autos eingeschlossen saßen. Einige von ihnen hatten Stockholm natürlich auch aus anderen Gründen den Rücken gekehrt, zum Beispiel, weil sie sich dort allgemein unwohl fühlten oder sie die Tätigkeit, zu der man sie zwang, anekelte.
Das war also eine Steuerung, die sich zu einem Fehlschlag entwickelt hatte. Ihre geheimsten Motive waren in Dunkelheit gehüllt. Viele meinten jedoch, eine Dunkelheit in braunen Farbtönen erahnen zu können.
Es gab eine ganze Reihe von Beispielen für ähnliche Manipulationen, und einige von ihnen zeugten von einem weit fortgeschrittenen Zynismus. Vor einem Jahr hatte man gegen Scheckbetrugsdelikte durchgegriffen. Die Leute überzogen ihre Konten, und manche Formulare landeten in den falschen Taschen. Die Zahl der unaufgeklärten wirtschaftlichen Kleinbetrugsdelikte war rufschädigend und erforderte radikale Maßnahmen. Das Reichspolizeiamt verordnete, dass Schecks nicht mehr als Zahlungsmittel akzeptiert werden sollten. Jeder wusste, was das hieß: Wenn man die Leute zwang, Bargeld bei sich zu tragen, eröffneten sich Räubern auf Straßen und Plätzen ganz neue Möglichkeiten. So kam es denn auch. Aber die sogenannten Scheckbetrügereien hörten natürlich auf, und die Polizeiführung konnte sich eines dubiosen Erfolges rühmen. Dass tagtäglich eine große Zahl von Menschen auf den Straßen der Stadt zusammengeschlagen wurden, fiel da nicht so ins Gewicht. Es war ein Teil des Gewaltmusters und würde mit noch mehr und noch besser bewaffneten Polizisten bekämpft werden. Woher diese auch immer kommen sollten. Ein grandioser Triumph war die offizielle Verbrechensstatistik für das erste Halbjahr. Sie wies eine Verringerung von zwei Prozent aus, obwohl alle wussten, dass die Zahl der Delikte stark angestiegen war. Die Erklärung war einfach. Nicht vorhandene Polizisten können keine Verbrechen
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