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Verschlossen und verriegelt

Verschlossen und verriegelt

Titel: Verschlossen und verriegelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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Einschätzung des Falles entließ die beiden Streifenpolizisten größtenteils aus der Verantwortung.
    Falls Kvastmo nicht nachgesehen hatte, wurde die Sache gleich in ein völlig anderes Licht gerückt. Als die Leiche abtransportiert worden war, hatte die Streife die Wohnung versiegelt und war weggefahren. Aber was bedeutete der Begriff »versiegeln« in diesem speziellen Fall?
    Da die Polizisten nicht in die Wohnung hineingekommen waren, ohne die Tür aus den Angeln zu heben, und das auch erst, nachdem sie praktisch zerstört worden war, bestand ihre Versiegelung nur daraus, eine Schnur zwischen den Türpfosten zu spannen und den üblichen Zettel daran aufzuhängen, der verkündete, dass das Areal aufgrund irgendeines passenden Gesetzesparagraphen abgesperrt war. In Wahrheit hatte das natürlich nichts zu sagen, und tagelang wäre es praktisch jedermann möglich gewesen, sich mühelos Zutritt zu der Wohnung zu verschaffen. Folglich hätten auch diverse Gegenstände entfernt werden können, zum Beispiel eine Schusswaffe.
    Das setzte allerdings voraus, dass Kvastmo erstens bewusst die Unwahrheit sagte und ein so geschickter Lügner war, dass er nicht nur Rönn, sondern auch ihn selbst überzeugt hatte. Sowohl Rönn als auch Martin Beck waren jedoch alte Hasen, und keiner der beiden stand in dem Ruf, sich leicht täuschen zu lassen.
    Zweitens: Wenn sich Svärd tatsächlich erschossen hatte, warum sollte sich dann jemand die Umstände machen, die Waffe verschwinden zu lassen?
    Die Absurdität des Ganzen sprang einem sofort ins Auge. Und sie beschränkte sich nicht auf die Tatsache, dass der Mann erschossen in einem Raum gelegen hatte, der von innen verschlossen gewesen war und in dem es zu allem Überfluss ganz offensichtlich keine Waffe gegeben hatte. Svärd schien keine näheren Angehörigen zu haben. Anscheinend hatte er auch keine Bekannten gehabt. Aber wenn ihn niemand kannte, wer hätte dann ein Interesse an seinem Tod haben können?
    Martin Beck nahm sich vor, sein Wissen in einigen Punkten zu ergänzen. Unter anderem würde er ein weiteres Detail der Ereignisse vom Sonntag, dem 18. Juni, überprüfen.
    Doch vor allem wollte er mehr über Karl Edvin Svärd erfahren.
    Auf dem Zettel, den er von Rönn bekommen hatte, stand nicht nur die Adresse im Stadtteil Sibirien. Es gab noch eine weitere Notiz, einen Namen. Vermieterin: Rhea Nielsen.
    Martin Beck hatte das Haus in der Tulegatan erreicht. Ein Blick auf die Namenstafel im Hauseingang zeigte ihm, dass die Vermieterin selbst im Haus wohnte. Bemerkenswert und für ihn möglicherweise ein Glücksfall. Er stieg zwei Stockwerke hinauf und klingelte.

21
    Der Lieferwagen war grau und, abgesehen von den Nummernschildern, ohne irgendwelche Kennzeichen. Die Männer, die ihn als Arbeitsfahrzeug benutzten, trugen Overalls in ungefähr der gleichen Farbe wie das Auto, und nichts in ihrer äußeren Erscheinung deutete an, welchen Beruf sie ausübten. Sie hätten Reparateure der einen oder anderen Art oder städtische Bedienstete sein können, und Letzteres waren sie denn auch. Es war fast sechs Uhr nachmittags, und wenn in der nächsten Viertelstunde nichts Alarmierendes geschah, würden sie ihr Tagwerk beenden, heimfahren und eine Zeitlang mit ihren Kindern spielen, ehe sie es sich gemütlich machten, um das trotz seiner Sinnlosigkeit immer gleichermaßen bierernste Fernsehprogramm zu genießen.
    Martin Beck hatte in dem Haus in der Tulegatan niemanden angetroffen, diese beiden dagegen erreicht. Sie saßen neben ihrem Volkswagen und kippten sich Bier hinter die Binde, und ihr Wagen roch beißend nach Desinfektionsmitteln, verströmte jedoch vor allem eine andere Duftnote, gegen die keine Chemikalie der Welt etwas ausrichten konnte. Die Hecktüren standen offen; verständlicherweise lüfteten sie den Transporterraum aus, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergab.
    Diese Männer hatten eine spezielle und ziemlich wichtige Funktion in ihrer Stadt. Ihr täglich Brot bestand darin, Selbstmörder und andere wenig adrette Verblichene aus ihrem bürgerlichen Milieu in passendere Umgebungen zu verfrachten. Manche Menschen, zum Beispiel Feuerwehrleute und Polizisten sowie eine Reihe von Journalisten und andere Eingeweihte, erkannten ihre graue Karre sehr wohl und wussten, was die Stunde geschlagen hatte, wenn sie durch die Straßen fuhr. Für die überwältigende Mehrheit war das Fahrzeug aber nur irgendein Lieferwagen, und das war genau der beabsichtigte Effekt. Schließlich gab es

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