Verschlossen und verriegelt
hatte, kamen nur die am schlechtesten bezahlten und langweiligsten Tätigkeiten in Frage. Es war längst nicht mehr so leicht wie früher, sich einen anderen Job zu suchen, wenn die Tristesse zu groß wurde, aber als sie wieder die Schulbank drückte, erschien ihr die Zukunft gleich in einem helleren Licht und die seelisch abstumpfende Monotonie am Fließband leichter zu ertragen.
Drei Jahre behielt sie ihre Stelle als Schichtarbeiterin in einer chemischtechnischen Fabrik am südlichen Stadtrand von Stockholm, doch als es zur Scheidung kam und sie mit ihrer Tochter allein zurückblieb, weshalb sie eine kürzere und schlechter bezahlte Schicht übernehmen musste, hatte sie das Gefühl, in einer Falle zu sitzen, und kündigte vor lauter Verzweiflung, spontan und ohne zu wissen, was sie anschließend machen sollte.
Die Arbeitslosigkeit im Land war inzwischen immer schlimmer geworden und der Mangel an offenen Stellen so groß, dass selbst Akademiker und gut ausgebildete Arbeitnehmer keine Anstellung fanden oder um schlechtbezahlte Jobs kämpfen mussten, für die sie eigentlich überqualifiziert waren. Monita war einige Zeit arbeitslos, ging stempeln und erhielt ihr mageres Arbeitslosengeld, während sie immer deprimierter wurde. Ihre Gedanken kreisten unablässig um die Frage, wie sie mit dem Geld auskommen sollte; Miete, Lebensmittel und Kleider für Mona verschlangen alles, was sie zusammenkratzen konnte. Es blieb nichts übrig, um sich selbst etwas zum Anziehen zu kaufen, sie musste das Rauchen aufgeben, und der Stapel unbezahlter Rechnungen wurde immer höher. Schließlich schluckte sie ihren Stolz hinunter und bat Peter um Hilfe, der ihr immerhin einiges an Unterhaltszahlungen für Mona schuldig geblieben war. Er hielt ihr vor, dass er seine eigene Familie ernähren müsse, gab ihr am Ende aber doch fünfhundert Kronen, mit denen sie unverzüglich einen Teil ihrer Schulden beglich.
Abgesehen von einer dreiwöchigen Aushilfstätigkeit in einer Telefonzentrale und vierzehn Tagen als Brotpackerin in einer Großbäckerei war Monita im Herbst 1970 ohne feste Stelle. Sie hatte zwar im Grunde nichts dagegen, freizuhaben, es war nett, morgens ausschlafen und die Tage mit Mona verbringen zu können, und wenn ihr erspart geblieben wäre, sich Sorgen um ihre finanzielle Situation zu machen, hätte ihr der fehlende Job nichts ausgemacht. Sie hatte jede Lust auf Weiterbildung verloren; welchen Sinn hatte es, Zeit und Energie zu verschwenden und Studienschulden anzuhäufen, wenn der einzige Lohn für die Mühe ein paar nutzlose Zeugnisse waren und die eventuelle Befriedigung, sein Wissen ein wenig erweitert zu haben? Außerdem ahnte sie inzwischen, dass mehr nötig war als ein höherer Lohn und bequemere Arbeitsverhältnisse, um es sinnvoll erscheinen zu lassen, sich am Produktionsprozess zu beteiligen.
Kurz vor Weihnachten fuhr sie mit Mona zu ihrer älteren Schwester nach Oslo. Ihre Eltern waren fünf Jahre zuvor bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, und ihre Schwester war die einzige enge Verwandte, die sie noch hatte. Nach dem Tod der Eltern war es Tradition geworden, Weihnachten bei ihrer Schwester zu feiern. Um die Fahrkarten bezahlen zu können, ging sie mit den Eheringen der Eltern und ein paar Schmuckstücken, die sie geerbt hatte, zum Pfandhaus. Sie blieb vierzehn Tage in Oslo, und als sie im neuen Jahr nach Stockholm zurückkehrte, hatte sie drei Kilo zugenommen und fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr. Im Februar 1971 wurde Monita fünfundzwanzig. Ein Jahr war vergangen, seit Peter sie verlassen hatte, und sie fand, dass sie sich in diesem Jahr mehr verändert hatte als in ihrer gesamten Ehe. Sie war reifer geworden und hatte neue Seiten an sich kennengelernt, und das war gut. Aber sie war auch härter geworden, resignierter und ein wenig verbittert, und das war weniger gut. Vor allem war sie sehr einsam geworden. Sie war alleinerziehende Mutter eines sechsjährigen Kindes, das all ihre Zeit in Anspruch nahm. Sie hatte eine Wohnung in einem großen Mietshaus in diesem Vorort, dessen Einwohner ängstlich auf Privatsphäre bedacht waren. Sie hatte keine Arbeit, und sie hatte kein Geld. Und aus all diesen Gründen hatte sie keine Chance, ihre Isolation zu durchbrechen. Ihre früheren Freunde und Bekannten waren es irgendwann leid gewesen, sich bei ihr zu melden. Sie konnte nur selten die Wohnung verlassen, da sie ihre Tochter nicht allein lassen wollte, und hatte kein Geld, um auszugehen und sich zu
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