Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschlossen und verriegelt

Verschlossen und verriegelt

Titel: Verschlossen und verriegelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
Vom Netzwerk:
amüsieren. In der ersten Zeit nach der Scheidung bekam sie gelegentlich noch Besuch von der einen oder anderen Freundin, aber es war weit bis Hökarängen, und die Freundinnen hatten es bald satt. Außerdem war sie zeitweise deprimiert gewesen und hatte auf andere Menschen vermutlich so beklemmend gewirkt, dass sie alle in die Flucht schlug. Sie machte lange Spaziergänge mit ihrer Tochter und schleppte aus der Bibliothek stapelweise Bücher nach Hause, die sie in den stillen, einsamen Stunden las, wenn Mona eingeschlafen war. Ihr Telefon klingelte nur selten, und sie selbst kannte niemanden, den sie anrufen konnte, und als es schließlich abgestellt wurde, weil sie die Rechnungen nicht bezahlt hatte, bemerkte sie keinen Unterschied. Sie fühlte sich in ihrem Zuhause wie eine Gefangene, doch mit der Zeit wurde diese Gefangenschaft zu einem Stück Geborgenheit, und das Dasein außerhalb der vier Wände ihrer tristen Vorortwohnung erschien ihr immer unwirklicher und fremder. Nachts, wenn sie ziellos zwischen Wohnzimmer und Küche hin und herwanderte, zu müde zum Lesen und zu unruhig, um schlafen zu können, wurde sie manchmal von dem Gefühl gepackt, allmählich verrückt zu werden. Ihr war, als brauchte sie bloß ein klein wenig nachzugeben, um die Dämme aufreißen und den Wahnsinn hervorbrechen zu lassen. Immer wieder dachte sie an Selbstmord, ihre Hoffnungslosigkeit und Angst waren oft so groß, dass nur der Gedanke an ihr Kind sie davon abhielt, sich das Leben zu nehmen. Ihre Sorge um Mona war groß, und manchmal weinte sie ohnmächtig und verbittert, wenn sie an die Zukunft ihrer Tochter dachte. Sie wollte, dass ihr Kind in einer geborgenen, warmherzigen und menschlichen Umgebung aufwuchs, ohne den Zwang, Macht, Geld und einer gesellschaftlichen Stellung hinterherzujagen, der die Menschen einander zu Feinden machte, einer Umgebung, in der die Worte »kaufen« und »besitzen« nicht als Synonyme für Glück verstanden wurden. Sie wollte ihrem Kind die Chance geben, sich als das Individuum zu entwickeln, das es war, und ihm ersparen, sich formen zu lassen, um in eine der Schubladen zu passen, die die Gesellschaft für Mädchen vorsah. Ihr Kind sollte Freude an Arbeit, Gemeinschaft und Geborgenheit empfinden und mit Selbstachtung leben dürfen.
    Sie fand es nicht zu vermessen, für ihre Tochter diese grundlegenden Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu begehren, aber ihr war klar, dass sich ihre Hoffnungen nicht erfüllen lassen würden, solange sie in Schweden blieb. Sie wusste nur nicht, wie sie sich die nötigen finanziellen Mittel beschaffen sollte, um das Land zu verlassen, und ihre Verzweiflung und Mutlosigkeit drohten zeitweise in Resignation und Apathie umzuschlagen.
    Als sie nach ihrem Besuch in Oslo heimkehrte, beschloss sie, sich aufzuraffen und ihre Situation zu verändern.
    Um mehr Freiheit zu haben, aber auch um zu verhindern, dass Mona allzu isoliert aufwuchs, versuchte sie zum wer weiß wievielten Mal, einen Platz in einem Kindergarten in der Nähe ihrer Wohnung zu finden. Zu ihrer Überraschung gab es einen freien Platz, und Mona wurde ab sofort aufgenommen.
    Einigermaßen lustlos begann Monita, sich auf Stellenanzeigen zu bewerben.
    Unablässig grübelte sie über ihr großes Problem nach: Wie sollte sie an Geld kommen? Wenn sie ihre Lebensumstände radikal verändern wollte, würde sie viel Geld brauchen. Sie wollte um jeden Preis das Land verlassen; sie fühlte sich in Schweden immer unwohler und hatte begonnen, diese Gesellschaft zu hassen, die mit einem Gemeinwohl prahlte, das nur wenigen Privilegierten vorbehalten war, während das einzige Privileg der großen Mehrheit darin bestand, das große Rad anzutreiben, das die Maschinerie in Gang hielt.
    In Gedanken ging sie ein ums andere Mal verschiedene Möglichkeiten durch, sich Kapital zu beschaffen, ohne eine Lösung für ihr Problem zu finden.
    Sich das Geld mit ehrlicher Arbeit zusammenzuverdienen war völlig ausgeschlossen. Bisher hatte das wenige, das ihr nach Abzug der Steuern geblieben war, für kaum mehr als die Miete und das Essen auf dem Tisch gereicht.
    Dass sie eine größere Summe im Lotto gewinnen könnte, war wenig wahrscheinlich, trotzdem füllte sie Woche für Woche einen Schein mit ihren Zahlen aus, um wenigstens hoffen zu können.
    Sie hatte niemanden, von dem sie erwarten konnte, dass er ihr ein Vermögen vermachte.
    Wahrscheinlich würde kein todkranker Millionär um ihre Hand anhalten und in der

Weitere Kostenlose Bücher