Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
ließ sie es bleiben und zog stattdessen am Saum.
»Was führt dich denn nun hierher? Auf der Durchreise hast du gesagt?«
»Ja, so was in der Art. Ich suche eigentlich nach einem Buchmacherladen.«
»Wir sind an einem auf dem Weg vom …«
»Es geht um was ganz Bestimmtes. Ein Laden, der entweder in den letzten fünf Jahren oder so neu eröffnet wurde oder in dieser Zeit den Besitzer gewechselt hat.«
»Dann meinst du Hutchy’s.« Sie sagte das ganz cool und nahm gleich danach einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette.
»Hutchy’s? Aber den Laden gab’s doch schon seit unserer Kindheit.«
Sie nickte. »Nach Joe Hutchinson, dem ersten Besitzer, benannt. Nach seinem Tod hat sein Sohn Howie den Laden übernommen und versucht, den Namen zu ändern. Aber alle sprachen immer weiter von Hutchy’s, also hat er’s aufgegeben. Vor etwa fünf Jahren, vielleicht auch etwas weniger, hat er verkauft und ist nach Spanien abgedampft. Stell dir das mal vor, genauso alt wie wir und hat bereits ausgesorgt. Verbringt den Rest seines Lebens in der Sonne. Hier hat man am ehesten noch das Gefühl von Wärme, wenn der Toaster an ist.«
»Und an wen hat er das Geschäft verkauft?«
Darüber musste sie erst mal nachdenken. »Greenwood ist der Name, glaub ich. Aber der Laden heißt immer noch Hutchy’s. Das steht jedenfalls auf dem Schild über der Tür. Aye, Tommy Greenwood.«
»Tommy? Bist du sicher? Nicht Tom oder Tarn?«
Sie schüttelte ihren dauergewellten Kopf. Sie hatte sich helle Strähnchen in die Haare machen lassen. Um das Grau zu kaschieren, nahm Rebus an. Und was sie da auf dem Kopf hatte, erinnerte ziemlich stark an diese Bienenkorbfrisuren aus den frühen Sechzigern. Rebus fühlte sich in eine andere Zeit versetzt …
»Tommy Greenwood«, wiederholte sie. »Eine Freundin von mir ist ein paarmal mit ihm ausgegangen.«
»War er schon länger in Cardenden, bevor er Hutchy’s übernahm?«
»Nein. Wir kannten ihn gar nicht. Dann kaufte er kurz hintereinander Hutchy’s und das Haus von dem alten Arzt unten am Fluss. Man munkelt, er hätte Howie aus einem Koffer voller Bargeld bezahlt und besäße bis heute kein Bankkonto.«
»Wo kam das Geld denn her?«
»Aye, das ist eine gute Frage.« Sie nickte. »Das würden einige Leute hier gern wissen.«
Er stellte ihr noch ein paar Fragen über Greenwood, doch sie konnte ihm nichts weiter sagen. Der blieb nämlich für sich, ging jeden Tag zu Fuß von seinem Haus zum Buchmacherladen. Fuhr kein dickes Auto. Hatte keine Frau, keine Kinder. War nicht sehr gesellig und ging selten einen trinken.
»Für so manche Frau wäre er eine gute Partie«, sagte sie in einem Ton, der Rebus zu verstehen gab, dass sie es selbst schon mit Köder und Angelhaken versucht hatte.
Nach weiteren zwanzig Minuten gelang es Rebus zu entkommen, doch erst nachdem man Adressen und Telefonnummern getauscht und sich gegenseitig versichert hatte, man würde in Kontakt bleiben. Auf dem Rückweg ging er langsam an Hutchy’s vorbei — eine wenig ansprechende Fassade mit abblätternder Farbe und rußigen Fenstern — und dann forschen Schritts den Hügel zum Friedhof hinauf. Dort stellte er fest, dass ein zweites Auto dicht hinter seinem parkte. Ein kirschroter Renault 5. Er klopfte an die Scheibe auf der Fahrerseite. Siobhan Clarke legte ihre Zeitung zur Seite und kurbelte das Fenster herunter.
»Was, zum Teufel, machen Sie denn hier?«, wollte Rebus wissen.
»Folge einer Eingebung.«
»Wie haben Sie mich denn überhaupt gefunden?«
»Hat eine Weile gedauert. Haben Sie in Ballingry angefangen?« Er nickte. »Das hat mich zurückgeworfen. Ich bin nämlich in Kelty von der Autobahn runter.«
»Hören Sie«, sagte Rebus, »es gibt einen möglichen Kandidaten.«
Das schien sie nicht zu interessieren. »Haben Sie die Zeitung von heute Morgen gelesen?«
»Ach das, ich wollte Ihnen eigentlich Bescheid sagen.«
»Nein, nicht das auf der Titelseite, innen.«
»Innen?«
Sie tippte auf eine Überschrift und reichte ihm die Zeitung durchs Fenster. DREI VERLETZTE BEI UNFALL AUF DER M8. Im Artikel stand, dass am Samstagmorgen ein BMW von der Autobahn Richtung Glasgow abgekommen und auf einem Feld gelandet sei. Die drei Insassen waren ins Krankenhaus eingeliefert worden — Ehefrau, Sohn im Teenageralter und der »Edinburgher Geschäftsmann David Dougary, 41«.
»O Gott«, stieß Rebus hervor, »und das hab ich von der Titelseite verdrängt.«
»Schade, dass Sie’s nicht direkt gelesen haben. Wie geht’s
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