Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
gerannt. Seine Leiche wurde aber erst am Donnerstagmorgen gefunden. Wenn er bei einer Prügelei am Dienstag ums Leben gekommen wäre, hätte der Pathologe an den Totenflecken und der Leichenstarre erkannt, dass die Leiche schon älter war. Das war sie aber nicht, sie war frisch. Was bedeutet, dass Sie ihn erst am Donnerstagmorgen unter Alkohol gesetzt und vergast haben. Sie müssen ihn den ganzen Mittwoch festgehalten haben, weil Sie genau wussten, was Sie mit ihm vorhatten.«
»Ich sage nichts.«
»Nein, aber ich. Ich wiederhole: Es war eine Verzweiflungstat, Eddie. Verzweifelter geht es nicht. Und jetzt kommen Sie mit.«
»Was?«
»Wir machen eine kleine Fahrt.«
»Wohin?«
»Zur Wache natürlich. Ziehen Sie sich was an.« Rebus beobachtete, wie er aufzustehen versuchte. Er hatte Mühe, die Beine gerade zu halten. Ja, das konnte ein Mord aus einem machen. Es war das Gegenteil von Totenstarre, nämlich der Wackelpuddingeffekt. Er brauchte lange, um sich umzuziehen. Als er endlich fertig war, hatte Eddie Tränen in den Augen, und seine Lippen waren feucht von Speichel.
Rebus nickte. »So geht’s«, sagte er. Er hatte die Absicht, Eddie nach St. Leonard’s zu bringen.
Doch sie würden die landschaftlich schönere Strecke nehmen.
»Wo fahren wir hin?«
»Nur ein kleiner Umweg. Es ist so schönes Wetter.« Eddie blickte durch die Windschutzscheibe. Draußen war alles grau in grau, die Häuser wie der Himmel. Es sah nach Regen aus, und der Wind wurde immer heftiger. Als sie auf der Holyrood Park Road Richtung Arthur’s Seat fuhren, schwante ihm allmählich etwas. Und als Rebus dann von der Holyrood Richtung Duddingston abbog, sah Eddie plötzlich äußerst nervös aus.
»Sie wissen, wo wir hinfahren?«, fragte Rebus.
»Nein.«
»Auch gut.«
Er fuhr weiter bis zum Tor des Grundstücks und signalisierte dann mit dem Blinker, dass er in die Einfahrt biegen wollte.
»Um Himmels willen, nein!«, schrie Eddie Ringan. Er zog die Knie an und stemmte sie gegen das Armaturenbrett. Statt in das Tor einzubiegen, fuhr Rebus daran vorbei und blieb ein Stück weiter am Bordstein stehen. Von dort konnte man einen Teil von Caffertys Villa erkennen. Wenn jemand am Fenster ganz rechts im Obergeschoss des Hauses stehen würde, könnte er vermutlich das Auto sehen.
»Nein, nein.« Eddie weinte.
»Sie wissen also, wo wir sind«, sagte Rebus erstaunt. »Dann kennen Sie Big Ger?« Er wartete, bis Eddie nickte. Der Koch hatte eine Art Fötushaltung eingenommen, die Füße untergeschlagen, den Kopf zwischen den Knien. »Haben Sie Angst vor ihm?« Eddie nickte wieder. »Warum?« Eddie schüttelte ganz langsam den Kopf. »Hat es was mit dem Central Hotel zu tun?«
»Warum musste ich das bloß Brian erzählen?« Es war ein lauter Aufschrei, der in der Enge des Wagens noch lauter klang. »Wie kann man nur so dämlich sein?«
»Man hat nämlich die Waffe gefunden.«
»Davon weiß ich nichts.«
»Sie haben die Waffe also nie gesehen?«
Eddie schüttelte den Kopf. Verdammt, da hatte Rebus sich mehr erwartet.
»Was haben Sie denn gesehen?«
»Ich war in der Küche.«
»Ja?«
»Da kam dieser Typ reingelaufen und brüllte mich an, ich sollte das Gas aufdrehen. Er sah völlig wahnsinnig aus, Blutspritzer im Gesicht … an den Wimpern.« Anscheinend wirkte das Reden wie eine Art Exorzismus, denn Eddie beruhigte sich ein wenig. »Er fing selber an, alle Gasflammen aufzudrehen, ohne sie anzuzünden. Er sah so irr aus, dass ich getan habe, was er von mir verlangte.«
»Und dann?«
»Dann bin ich abgehauen. Ich wollte keine Minute länger bleiben. Ich hab geglaubt, was alle anderen glaubten, dass es nämlich um die Versicherung geht. Bis man die Leiche gefunden hat. Eine Woche später bekam ich Besuch von Big Ger. Unangenehmen Besuch. Die Botschaft lautete: Sag niemals ein Wort, kein einziges Wort über das, was passiert ist.«
»War Big Ger in jener Nacht dort?«
Eddie zuckte die Achseln. Verfluchter Kerl! »Ich war in der Küche. Ich hab nur diesen Verrückten gesehen.«
Nun ja, zumindest wusste Rebus, wer das gewesen war — jemand, der über den Zustand der Küche im Central Bescheid wusste. »Black Aengus?«, fragte er.
Eine Weile schwieg Eddie, starrte nur mit verweinten Augen aus dem Fenster. Dann fuhr er fort: »Big Ger wird in jedem Fall herausfinden, dass ich geredet hab. Ab und zu schickt er mir eine Warnung. Nichts Brutales … jedenfalls nicht bei mir. Nur um mich daran zu erinnern, dass er es nicht vergessen hat.
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