Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
Gruppe von Tierschützern in das Archiv des Polizeipräsidiums Fettes eingebrochen war. Dabei hatten sie unter anderem Hinweise auf einen Strichjungenskandal unter hoch angesehenen Edinburgher Bürgern entdeckt. Das war für Rebus nichts Neues, aber einige andere Einträge fand er interessant, besonders die, die sich auf das Central Hotel bezogen.
Das Central Hotel war in Edinburgh eine Institution gewesen, bis es vor fünf Jahren völlig niederbrannte. Gerüchte sprachen von einem Versicherungsbetrug, und die betroffene Versicherungsgesellschaft hatte eine Belohnung von fünftausend Pfund ausgesetzt für Hinweise, die belegten, dass tatsächlich Betrug im Spiel gewesen war. Doch die Belohnung wurde nie ausbezahlt.
Das Central Hotel, einst ein Paradies für Reisende, lag in der Princes Street, ganz in der Nähe der Waverley Station, und wurde damit für viele Geschäftsleute, die in Edinburgh zu tun hatten, ein zweites Zuhause. Doch gegen Ende war das Central immer schlechter gelaufen, und während die ehrlichen Geschäfte zurückgingen, nahmen die fragwürdigen immer mehr zu. Es war ein offenes Geheimnis, dass die plüschigen Zimmer des Central stundenweise oder für einen Nachmittag gemietet werden konnten. Der Zimmerservice brachte eine Flasche Champagner und so viel Talkumpuder, wie die Gäste des jeweiligen Zimmers benötigten.
Mit anderen Worten, aus dem Central war ein Puff geworden, und keineswegs ein diskreter. Man zählte auch alle möglichen zwielichtigen Gestalten der Stadt zu seiner Kundschaft. So wurden dort Hochzeitspartys und Junggesellenabende für diverse Gangster veranstaltet, und Minderjährige konnten stundenlang in der Hotelbar herumhängen und trinken, da sie wussten, dass kein ehrlicher Polizist sich dorthin verirren würde. Dieses Gefühl von Sicherheit machte die Gangster immer dreister, und schon bald wurde die Hotelbar auch für Drogendeals und noch weniger erquickliche Geschäfte benutzt, so dass das Hotel allmählich mehr als nur ein Puff war. Es wurde zu einem Sumpf.
Zu einem Sumpf, dem die Räumungsklage drohte.
Die Polizei konnte nicht ewig ein Auge zudrücken, besonders als die Beschwerden der Anwohner von Monat zu Monat zunahmen. Und je mehr Gesindel im Central verkehrte, desto üblere Dinge liefen dort ab. Wenn man sich ins Central begab, war man auf der Suche nach einer Frau, nach billigen Drogen oder einer Schlägerei. Und wehe, man hatte was anderes im Sinn.
Und eines Nachts passierte, was irgendwann passieren musste — das Central brannte ab. Das überraschte niemanden; ja, es war so wenig verwunderlich, dass selbst die Reporter der Lokalzeitung kaum über den Brand berichteten. Die Polizei war natürlich hocherfreut, blieb ihr durch das Feuer doch eine Razzia auf den Laden erspart.
Am nächsten Morgen gab es jedoch eine böse Überraschung. Obwohl man glaubte, über den Verbleib des Personals und sämtlicher Gäste Bescheid zu wissen, fand man zwischen den Trümmern eine Leiche. Eine Leiche, die bis zur Unkenntlichkeit verbrannt war.
Die Leiche von jemandem, der bereits tot gewesen war, als das Feuer ausbrach.
Über diese groben Fakten wusste Rebus Bescheid. Er wäre kein Detective der City of Edinburgh gewesen, wenn er das nicht gewusst hätte. Doch nun hatte er Holmes’ schwarzes Buch in der Hand, das viel versprechende Hinweise enthielt. Zumindest sahen sie viel versprechend aus. Rebus las den relevanten Abschnitt noch einmal.
Feuer im Central. El war dort! Pokerspiel auf der 1. Etage. R. Brothers beteiligt (also vielleicht auch Mork?) Mehr rauszukriegen versuchen.
Er betrachtete Holmes’ Handschrift genauer und versuchte dahinter zu kommen, ob dort El oder E1 stand; der Buchstabe l oder die Zahl 1. Und wenn es der Buchstabe l war, stand dann El vielleicht für die phonetische Entsprechung des Buchstaben L? Warum das Ausrufezeichen? Es sah so aus, als wäre die Anwesenheit von El (oder L oder E-Eins) eine Art Offenbarung für Brian Holmes gewesen. Und wer, zum Teufel, waren die R. Brothers? Rebus dachte sofort an Michael und sich, die Rebus-Brüder, schlug sich die Vorstellung aber rasch wieder aus dem Kopf. Und bei Mork fiel ihm nur eine schlechte Fernsehserie um einen Außerirdischen ein, weiter nichts.
Nein, er fühlte sich jetzt zu müde für so etwas. Morgen wäre auch noch Zeit dafür. Vielleicht wachte Brian ja bald auf und konnte reden. Rebus beschloss, vor dem Einschlafen ein kleines Gebet für ihn zu sprechen.
3
Ein Gebet, das nicht erhört wurde.
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