Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
Rebus die Überwachung ohne ein einziges Murren akzeptiert hatte. Das musste den Chief Inspector ganz schön irritieren.
Kein schlechter Anfang für einen Arbeitstag.
Rebus nahm Platz und begann, sich in die erste Akte zu vertiefen.
Er füllte bereits die zweite Seite mit eigenen Notizen, da klingelte das Telefon. Es war Nell Stapleton.
»Nell, wo sind Sie?«
»Ich bin in der Arbeit. Wollte nur mal hören, ob Sie schon was herausgefunden haben.«
Er schrieb den Satz zu Ende. »Zum Beispiel?«
»Na ja, was genau mit Brian passiert ist.«
»Ich bin mir noch nicht sicher. Vielleicht erzählt er’s uns ja, wenn er aufwacht. Haben Sie schon mit dem Krankenhaus gesprochen?«
»Heute Morgen als Allererstes.«
»Ich auch.« Rebus fing wieder an zu schreiben. Am anderen Ende der Leitung herrschte nervöses Schweigen.
»Was ist mit dem schwarzen Buch?«
»Ach, das. Ja, da habe ich ein bisschen drin rumgestöbert.«
»Haben Sie herausgefunden, wovor Brian Angst hatte?«
»Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Keine Sorge, Nell, ich arbeite daran.«
»Das ist gut.« Ihre Stimme klang erleichtert. »Bloß wenn Brian aufwacht, sagen Sie ihm bitte nicht, dass ich Ihnen davon erzählt hab.«
»Und warum nicht? Ich meine, das ist … das zeigt doch, dass Sie sich Sorgen um ihn machen.«
»Natürlich mache ich mir Sorgen!«
»Das hat Sie aber nicht daran gehindert, ihn rauszuschmeißen.« Sofort tat es ihm Leid, was er gesagt hatte, aber es war nun mal passiert. Er konnte beinah hören, wie sie litt, und stellte sich vor, wie sie in der Universitätsbibliothek saß und sich bemühte, das Gesicht vor ihren Kolleginnen zu verbergen.
»John«, sagte sie schließlich, »Sie kennen nicht die ganze Geschichte. Sie haben nur Brians Seite gehört.«
»Das stimmt. Wollen Sie mir die Ihre erzählen?«
Sie dachte darüber nach. »Nicht hier am Telefon. Vielleicht ein andermal.«
»Wann immer Sie wollen, Nell.«
»Ich sollte mich jetzt besser wieder an die Arbeit machen. Gehen Sie heute zu Brian?«
»Vielleicht am Abend. Den ganzen Vormittag über werden Untersuchungen durchgeführt. Und Sie?«
»Klar geh ich bei ihm vorbei. Ist ja nur zwei Minuten von hier.«
Das stimmte. Rebus dachte an Siobhan Clarke. Aus irgendeinem Grund wollte er nicht, dass die beiden Frauen sich an Brians Bett trafen. »Wann wollen Sie ihn denn besuchen?«
»Wahrscheinlich gegen Mittag.«
»Noch eine Sache, Nell.«
»Ja?«
»Hat Brian irgendwelche Feinde?«
Sie brauchte eine Weile, um zu antworten. »Nein.«
Rebus wartete, ob sie dem noch etwas hinzuzufügen hätte. »Na schön, passen Sie gut auf sich auf, Nell.«
»Sie auch, John. Wiedersehen.«
Nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, nahm Rebus sich wieder seine Notizen vor. Doch bereits nach einem halben Satz hielt er inne und klopfte mit dem Bleistift nachdenklich gegen seine Lippen. So verharrte er eine Zeit lang, dann führte er einige Telefongespräche mit seinen Kontaktpersonen (er mochte das Wort »Informant« nicht) und erklärte ihnen, sie sollten die Ohren aufhalten bezüglich eines Überfalls hinter dem Heartbreak Café.
»Ein Kollege von mir, das heißt, es ist ernst, okay?« Letztendlich hatte er doch »Kollege« gesagt, obwohl er eigentlich »Freund« sagen wollte.
Am Mittag spazierte er zur Universität hinüber und machte im Institut für Pathologie seine Aufwartung. Er hatte vorher angerufen, und Dr. Curt erwartete ihn bereits ausgehbereit in seinem Büro. Er trug einen cremefarbenen Regenmantel und summte irgendwas Klassisches vor sich hin, das Rebus zwar kannte, an dessen Titel er sich zu seiner Verärgerung jedoch nicht erinnern konnte.
»Ah, Inspector, was für eine angenehme Überraschung.«
Rebus blinzelte. »Tatsächlich?«
»Natürlich. Wenn Sie mir sonst auf die Pelle rücken, geht es um irgendeinen aktuellen, dringenden Fall. Aber heute …« Curt breitete die Arme weit aus. »Kein Fall! Und trotzdem rufen Sie mich an und laden mich zum Mittagessen ein. Dann kann ja in St. Leonard’s nicht viel los sein.«
Ganz im Gegenteil, aber Rebus wusste die Arbeit in guten Händen. Bevor er ging, hatte er Siobhan Clarke so viel aufs Auge gedrückt, dass sie keine Zeit für eine Mittagspause haben würde, außer vielleicht einem Sandwich und was zu trinken aus der Cafeteria. Als sie sich beklagte, hatte er erklärt, sie könne sich dafür am Nachmittag freinehmen, um Brian Holmes zu besuchen.
»Wie haben Sie sich im Übrigen dort eingelebt?«
Rebus zuckte die
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