Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
sah es nicht schlimmer aus als in vielen Kneipen in Edinburgh oder sonst wo. Ziemlich schlicht eingerichtet, mit einem roten Linoleumboden voller schwarzer Flecken von Hunderten Zigarettenkippen. Tische und Stühle waren rein funktional, und obwohl der Barraum nicht sehr groß war, hatte man Platz für einen Pooltisch und eine Dartscheibe gefunden. Als Rebus hereinkam, wurde gerade eine Partie Darts gespielt, und ein junger Mann umkreiste den Pooltisch und lochte einen Ball nach dem anderen ein, während er durch den Rauch schielte, der von der Zigarette in seinem Mund aufstieg. An einem Ecktisch saßen drei alte Männer, alle mit karierten Mützen auf dem Kopf, und spielten verbissen Domino. Die übrigen Tische waren von Gruppen erprobter Trinker besetzt.
Also blieb Rebus nichts anderes übrig, als sich an die Theke zu stellen. Dort war gerade noch Platz für eine Person. Er nickte den Pint-Trinkern rechts und links von ihm zu, ein Gruß, der nicht erwidert wurde.
»Ein Pint Special, bitte«, sagte er zu dem Barmann mit den fettigen Haaren.
»Special, mein Sohn, sehr wohl.«
Rebus hatte den Eindruck, dass dieser etwa fünfzigjährige Barmann selbst die Dominospieler mit Sohn anredete. Das Bier wurde mit gehöriger Sorgfalt eingeschenkt, ganz wie es dem Ritual der Gegend entsprach.
»Special, mein Sohn, bitte sehr.«
Rebus bezahlte das Bier. Es war das preiswerteste Pint, das er seit Monaten getrunken hatte. Er begann mit dem Gedanken zu spielen, wie einfach es doch wäre, von Fife zur Arbeit zu pendeln …
»Ein Pint Spesh, Dod.«
»Spesh, mein Sohn, sehr wohl.«
Der Poolspieler stand jetzt direkt hinter Rebus, nicht unbedingt bedrohlich. Er stellte sein leeres Glas auf die Theke und wartete, dass es wieder gefüllt würde. Rebus wusste, dass der junge Mann neugierig war; vielleicht wollte er, dass Rebus etwas sagte. Doch Rebus schwieg. Stattdessen zog er je eine Fotokopie der beiden Zeichnungen aus seiner Jackentasche und breitete sie auf der Theke aus. In einem Zeitungsladen auf der Royal Mile hatte er von jeder Zeichnung zehn Kopien machen lassen. Die Originale lagen sicher im Handschuhfach seines Autos. Wie sicher allerdings das Auto selbst war, das in einer mäßig beleuchteten Straße parkte, war eine andere Frage.
Er konnte spüren, wie die Trinker rechts und links von ihm verstohlene Blicke auf die Zeichnungen warfen, und er hatte keinen Zweifel, dass auch der junge Mann hinsah. Trotzdem sagte niemand etwas.
»Spesh, mein Sohn, bitte sehr.« Der Poolspieler nahm das Glas und verschüttete etwas von dem Bier auf die beiden Blätter. Rebus wandte sich um.
»Tut mir Leid.«
Rebus hatte selten einen weniger aufrichtigen Tonfall gehört. »Das macht nichts«, antwortete er im gleichen Tonfall. »Ich hab noch etliche Kopien.«
»O aye?« Der junge Mann nahm sein Wechselgeld entgegen und ging zum Pooltisch zurück, wo er sich bückte, um erneut Münzen einzuwerfen. Die Bälle fielen mit dumpfem Klappern herunter, und er begann, sie in das Dreieck einzusortieren, den Blick starr auf Rebus gerichtet.
»Sind wohl so was wie ein Künstler?«
Rebus, der die Zeichnungen mit der Hand abgewischt hatte, wandte sich Dod, dem Barmann, zu. »Nein, bin ich nicht. Sind aber ganz gut, oder?« Er drehte die Zeichnungen langsam, so dass Dod sie besser sehen konnte.
»O aye, nicht schlecht. Ich bin allerdings kein Fachmann. Das Einzige, was die Leute hier in der Gegend so malen, ist ihre Unterschrift, um Rente oder Arbeitslosengeld zu kassieren.« Das wurde mit Gelächter quittiert.
»Oder Kreuze auf ’nen Wettschein«, fügte einer der Gäste hinzu.
»Oder den Teufel an die Wand«, schlug jemand anders vor, doch der Scherz hatte sich mittlerweile abgenutzt. Der Barmann deutete mit dem Kopf auf die Zeichnungen. »Soll das wer Bestimmtes sein?«
Rebus zuckte die Achseln.
»Könnten Brüder sein.«
Rebus wandte sich dem Trinker links von ihm zu, von dem die Bemerkung gekommen war. »Wieso glauben Sie das?«
Der Mann zuckte nur und richtete den Blick starr auf die hinter der Theke aufgereihten Flaschen. »Sie sehen sich ähnlich.«
Rebus betrachtete die beiden Zeichnungen. Midgie hatte die Brüder auftragsgemäß um fünf bis sechs Jahre altern lassen. »Da könnten Sie Recht haben.«
»Oder vielleicht Cousins«, meinte der Trinker zu seiner Rechten.
»Auf jeden Fall verwandt«, sinnierte Rebus.
»Das seh ich nicht«, sagte Dod, der Barmann.
»Gucken Sie mal ein bisschen genauer hin«, riet ihm Rebus und
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