Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
vorbei. Nun hatten Zentralheizung und Gas die Kohle ersetzt.
Die toten Schlote stimmten Rebus traurig.
Es stimmte ihn ebenfalls traurig, dass er seinen Auftritt mit den Zeichnungen wiederholen musste. Er hatte gehofft, im Midden würde seine Suche beendet sein. Natürlich bestand immer noch die Möglichkeit, dass Eddie ihn absichtlich auf eine falsche Fährte gelockt hatte. Wenn das der Fall war, würde Rebus dafür sorgen, dass er bekam, was er verdiente.
Er zog durch drei weitere Pubs, in denen er sich jeweils an einem Halfpint festhielt, ohne dass es, abgesehen von den üblichen dummen Witzen, einschließlich dem mit der Unterschrift unter der Rentenquittung, irgendwelche relevanten Reaktionen gab. Doch in der vierten Kneipe, einem schäbigen Schuppen in der Nähe des Bahnhofs, erregte er die Aufmerksamkeit eines alten Mannes mit wachen Augen, der bereits überall im Pub Drinks geschnorrt hatte. Rebus stand gerade an der Ecke der L-förmigen Theke, wo er die Zeichnungen einer Gruppe von Malern und Tapezierern zeigte. Er wusste, dass es Anstreicher waren, weil sie ihn gefragt hatten, ob er irgendwas zu renovieren hätte. »Ohne Rechnung. Dann ist’s billiger.«
Der alte Mann drängte sich in die Gruppe und sah in jedes einzelne Gesicht um ihn herum. »Alles klar, ihr fleißigen Dekorateure? Seht mal, ich bin im Krieg dekoriert worden.« Er kicherte über seinen Scherz.
»Das erzählst du uns ständig, Jock.«
»Jeden verdammten Abend.«
»Gnadenlos.«
»Tut mir Leid, Jungs«, entschuldigte sich Jock. Er wies mit einem kurzen dicken Finger auf eine der Zeichnungen. »Der kommt mir bekannt vor.«
»Dann muss es ein verdammter Jockey sein.« Der Anstreicher, der das gesagt hatte, zwinkerte Rebus zu. »Ich mach keine Witze, Mister. Jock erkennt den Arsch von ’nem Rennpferd schneller als das Gesicht von ’nem Menschen.«
»Ach«, sagte Jock mit einer wegwerfenden Handbewegung, »zum Teufel mit euch.« Und dann zu Rebus gewandt: »Schuldest du mir nicht noch ’nen Drink von letzter Woche …?«
Fünf Minuten später, nachdem Rebus schlecht gelaunt dieses letzte Pub verlassen hatte, tauchte dort ein junger Mann auf. Es hatte ihn einige Zeit gekostet, sämtliche Bars zwischen The Midden und hier abzuklappern und herauszufinden, ob ein Mann mit ein paar Zeichnungen aufgetaucht war. Außerdem ärgerte es ihn, dass er sein Pooltraining so früh hatte abbrechen müssen. Am Sonntag fand ein Turnier statt, und er war fest entschlossen, den Preis von einhundert Pfund zu gewinnen. Wenn er das nicht tat, gäbe es Probleme. Doch ihm war auch klar, dass er jemandem einen Gefallen tun würde, wenn er diesen Mann verfolgte, der behauptete, kein Polizist zu sein. Das wusste er, weil er vom Midden aus ein Telefongespräch geführt hatte.
»Du würdest mir damit einen Gefallen tun«, hatte die Person am anderen Ende der Leitung gesagt, nachdem der Poolspieler endlich zu ihm durchgestellt worden war. Zuvor hatte er bereits zwei Leuten seine Geschichte erzählen müssen.
Es war nützlich, wenn einem jemand einen Gefallen schuldete, also war er vom Midden aus losgefahren in der Gewissheit, dass sich der Mann mit den Zeichnungen auf dem Weg nach Lochgelly befand. Doch nun hatte er alle Pubs des Orts durch, und es gab keine weiteren bis Lochore. Und der Mann war bereits gegangen. Also tätigte der Poolspieler einen weiteren Anruf und erstattete Bericht. Er wusste, dass es nicht viel war, aber es hatte ihn trotzdem eine Menge Zeit gekostet.
»Dafür bin ich dir was schuldig, Sharky «, sagte die Stimme.
Sharky war in Hochstimmung, als er wieder in seinen rostigen Datsun stieg. Mit ein bisschen Glück könnte er noch einige Runden Pool spielen, bevor die Pubs schlossen.
Als John Rebus zurück nach Edinburgh fuhr, dachte er immer noch darüber nach, wer was verdiente. Außerdem dachte er an Andrew McPhail, an Michael und seine Tranquilizer, an Patience, die »Operation Geldsäcke« und viele andere Dinge.
Michael schlief fest, als Rebus in die Wohnung kam. Er unterhielt sich kurz mit den Studenten, die sich Sorgen machten, sein Bruder könnte irgendwelche Drogen genommen haben. Er versicherte ihnen, dass es sich um verordnete und nicht um verbotene Drogen handelte. Dann rief er Siobhan Clarke zu Hause an.
»Gibt’s was Neues?«
»Nein, Sir — ich könnte ein dickes Buch über Langeweile schreiben. Dougary hatte den ganzen Tag über nur fünf Besucher. Zum Mittagessen hat er sich eine Pizza kommen lassen. Und um halb
Weitere Kostenlose Bücher