Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
brüsk. »Trotzdem finde ich es furchtbar, dass wer immer es auf mich abgesehen hat, nun auch Joanie in Mitleidenschaft gezogen hat. Sie hat sich um mich gekümmert, seit ich durch diese Tür gekommen bin.«
»Raue Schale, weicher Kern. Hör mal, damit wollte ich nicht andeuten, dass du ihr Probleme gemacht hast. Ich wollte nur sagen, dass alles wieder gut wird. Und denk bitte nicht, dass ich mir Gott weiß was gedacht habe, als du neulich ohne Schuhe zum Wäschewaschen gegangen bist. Manchmal habe ich so viel um die Ohren, dass ich gar nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht. Und du hast wirklich viel um die Ohren.«
Sie tätschelte noch einmal freundlich Reeces Arm. »Versuch’s doch mal mit Aromatherapie. Wenn ich gestresst bin, hilft mir nichts besser als Lavendelöl.«
»Ich werd’s mir merken. Und wenn das nächste Mal ein Mörder bei mir einbricht und mein Apartment überflutet, tröste ich mich mit Lavendelöl. Danke für den Tipp.«
»Meine Güte …«
»Bitte nimm mir das jetzt nicht übel.« Reece erhob sich von ihrem Hocker. »Du meinst es nur gut, ich weiß. Aber ich muss weiterarbeiten.« Sie zögerte, beschloss aber dann, aufs Ganze zu gehen. »Debbie, du bist eine sympathische Frau und hast wirklich nette Kinder. Und ich weiß es auch zu schätzen, dass du dich um mich bemüht hast. Trotzdem hast du nicht die leiseste Ahnung, was ich alles um die Ohren habe – wie denn auch? Du hast so was ja nie durchmachen müssen.«
Sie regte sich noch die ganze restliche Schicht darüber auf und kochte immer noch vor Wut, als sie das Diner verließ. Da Brody am Morgen darauf bestanden hatte, sie herzufahren – was dringend aufhören musste -, war sie jetzt ohne Auto.
Macht nichts, dachte sie. Der Spaziergang würde ihr gut tun und ihr helfen, sich zu beruhigen. Es war warm genug, dass man die Jacke auflassen konnte, und windig genug, um das Wasser riechen zu können, die Wälder und das Gras, das immer grüner wurde.
Sie vermisste das Grün, das üppige Grün der Wiesen in den Parks. Die mächtigen alten Bäume, den tosenden Verkehr. Die Anonymität einer hektischen, lebendigen Großstadt.
Was tat sie eigentlich hier, außer Elchburger zu braten, sich gegen eine Wyoming-Version von einer Fußballmutter zur Wehr zu setzen und sich über den Tod einer Frau aufzuregen, die sie nicht mal kannte?
Auf ihrer Seele lasteten auch so schon zwölf Tote, alles Menschen, die sie gekannt und geliebt hatte. Reichte ihr das etwa noch nicht?
Sie konnte nun mal nichts daran ändern, nichts dagegen tun. Jetzt ging es bloß noch darum, dass sie ihr eigenes Leben lebte. Und das war schon kompliziert genug.
Sie lief mit gesenktem Kopf und hatte die Hände in den Hosentaschen. Wenn sie doch nur wüsste, wohin das alles führte!
Als der Wagen neben ihr langsamer wurde, bemerkt Reece es erst gar nicht. Ein leichtes Hupen ließ sie zusammenzucken.
»Wie wär’s mit einem kleinen Ausflug, Süße? Ich hab Bonbons dabei.«
Reece warf Brody durch das offene Wagenfenster einen bösen Blick zu. »Was hast du denn hier zu suchen?«
»Ich fahr einfach so durch die Gegend und halte nach Frauen Ausschau, die ich aufreißen kann. Du gefällst mir schon mal ganz gut. Steig ein.«
»Ich will nicht, dass du deine Arbeit unterbrichst, nur um mich zur Arbeit und wieder zurückzuchauffieren.«
»Gut, denn das habe ich auch gar nicht. Meine Arbeit unterbrochen.« Er schnallte sich ab, um sich vorzubeugen und ihr die Beifahrertür zu öffnen. »Steig ein. Du kannst ebenso gut hier drin weitermeckern.«
»Ich meckere doch gar nicht.« Aber sie stieg ein. »Im Ernst, Brody, du musst auch arbeiten, hast deinen eigenen Rhythmus, deine eigene Routine.«
»Ich unterbreche meine Routine ganz gern mal. Ehrlich gesagt, hat das frühe Aufstehen und dich zur Arbeit chauffieren bewirkt, dass ich früher vor dem Computer saß als sonst. Ich habe richtig viel geschafft und hatte Lust auf einen Ausflug. Schnall dich an, Bohnenstange.«
»Du hattest einen erfolgreichen Tag? Kompliment. Meiner war mehr als bescheiden.«
»Ach, ehrlich? Das hätte ich gar nicht gedacht angesichts des Damoklesschwerts über deinem Haupt.«
»Ich wurde den ganzen Tag mit Country Music bombardiert, der Sheriff hält mich für total unzurechungsfähig, will aber trotzdem meinen ebenso merkwürdigen, wie haltlosen Anschuldigungen nachgehen. Und zu allem Überfluss war heute auch noch seine Frau da, um sich unter dem Vorwand, einfach nur nett zu plaudern, in mein
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