Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
eine noch das andere. Pass auf, was du sagst, Linda-Gail.«
»Hat er behauptet, dass er gestern Abend auf der Ranch bleiben muss, um einer Stute mit Kolik beizustehen oder nicht? Und war das vielleicht keine gemeine Lüge, wenn Reuben vor einer Viertelstunde hier war und mich gefragt hat, wie mir der Film gefallen hat, zu dem mich Lo gestern Abend eingeladen hat?«
»Vielleicht hat sich Reuben ja geirrt. Dafür kann es mehrere Erklärungen geben.«
Linda-Gail hob ihr Kinn. »Du bist seine Mutter: klar, dass du zu ihm hältst. Aber ich lasse mich nicht belügen und betrügen.«
»Das kann ich gut verstehen, und du kannst ihn auch jederzeit zur Rede stellen. Aber nicht, wenn du gerade dafür bezahlt wirst, hier zu bedienen.«
»Er hat gesagt, dass er mich liebt, Joanie.« Dieses Mal versagte ihr die Stimme – und Joanie presste die Lippen zusammen. »Er hat gesagt, er sei bereit, ein gemeinsames Leben mit mir aufzubauen.«
»Dann wirst du ihn eben so bald wie möglich zur Rede stellen. Aber bis es so weit ist, gehst du da raus und erledigst deinen Job. Da sind Gäste, die auf dich warten.«
»Stimmt genau. Außerdem habe ich sowieso schon viel zu viel Zeit an ihn verschwendet. Männer taugen einfach zu gar nichts.« Sie stolzierte hinaus und ließ eine seufzende Joanie zurück.
»Wenn es der Junge geschafft hat, das zu versauen, ist er dümmer, als ich dachte.«
Während Joanie einen besorgten Eindruck machte, zog sich Reece schmerzhaft der Magen zusammen. Wo war Lo letzte Nacht gewesen – und warum hatte er diesbezüglich gelogen?
»Willst du hier noch länger rumstehen und träumen«, fragte Joanie, »oder übernimmst du den Grill? Ich muss noch Bürokram erledigen und diese ganze beschissene Farbe bezahlen.«
»Entschuldige.« Reece griff nach ihrer Schürze und eilte zur Spüle, um sich die Hände zu waschen. »Der neue Anstrich sieht gut aus. Fröhlich.«
»Neu und fröhlich: So was kostet.«
Nachdem sie am Vorabend geschlossen hatten, waren drei Männer zum Anstreichen angerückt, erinnerte sie Reece. Das Narzissengelb mit der roten Abschlussleiste peppte das Diner gehörig auf. Aber was hatten diese Männer vorher um 21 Uhr getan?
»Wann genau haben sie mit dem Anstreichen angefangen?«
»Um elf. Wahrscheinlich ist Reuben viel zu erschöpft, um sich heute wieder blicken zu lassen, nachdem er hier bis drei Uhr früh geschuftet hat.«
So beiläufig wie möglich, ermahnte sich Reece, eine ganz normale Unterhaltung. »Sie sind also um elf gekommen?«
»Sag ich doch. Reuben, Joe und Brenda.«
»Brenda? Die Brenda vom Hotel? Ich dachte, ihr Bruder wollte mithelfen?«
»Dean hatte angeblich was anderes vor. Abgesehen davon, arbeitet sie sowieso besser.«
Reece begann mit dem Kochen und versuchte sich dabei Reuben, Lo, Dean oder Joe mit einer Sonnenbrille und einer orangeroten Mütze vor Brodys Küchenfenster vorzustellen.
Nach der Arbeit ließ sich Reece von Pete mitnehmen.
»Vielen Dank, dass du mich zu Brody fährst.«
»Ist ja nicht weit, kein Problem.«
»Pete, was glaubst du, was Lo gestern Abend gemacht hat?«
»Bestimmt war er wieder hinter irgendeiner Frau her. Der ist doch vollkommen schwanzgesteuert – entschuldige die Ausdrucksweise.«
»Dann muss er sich ja schon ziemlich viel Ärger mit Frauen eingehandelt haben.«
»Normalerweise schafft er es mit seinem Charme immer, sie davon zu überzeugen, dass es besser ist, ihm nicht gleich die Eier abzureißen – wenn ich es mal so drastisch sagen darf. Aber bei Linda-Gail wird er sich da schwer tun. Die ist’ne harte Nuss.«
»Da könntest du Recht haben. Und Reuben?«
Ganz beiläufig, ermahnte sich Reece erneut. »Den sieht man nie mit einer Frau, zumindest nicht hier im Ort.«
»Der kommt schon nicht zu kurz. Er ist einfach nur diskret.« Pete sah zu Reece hinüber und schenkte ihr ein zahnlückenhaftes Grinsen. »Letzten Winter hatte er eine heiße Affäre mit einem Skihäschen. Sie war verheiratet.«
»Ehrlich?«
»Er hat sich ziemlich bedeckt gehalten, aber es ist nicht so leicht, sich in das Hotelzimmer einer Frau zu stehlen, ohne dass es auffällt. Brenda hat ein Gespür dafür. Und das, obwohl er durch den Keller reingekommen sein soll.«
»Der Hotelkeller«, murmelte sie.
»Doch nachdem sie eines Abends einen Riesenstreit hatten, kam sowieso alles raus. Sie hat geschrien und Sachen nach ihm geworfen. Sie soll ihm sogar ihren Parfümflakon über den Schädel gezogen haben. Am Ende musste er mit einem völlig
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